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Kopernikus 5

Kopernikus 5

Titel: Kopernikus 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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dieses Wissen durch einen dünnen Knochensplitter und ein rachsüchtiges Kind verwehrt wurde. Aber ich denke auch daran, wie die Erde mich anzog, an das Gefühl von Zauber und Verklärung, an den kurzen Schimmer (denn es war bloß ein Schimmer) einer großen Macht, die unter dem Gras liegt …
    Ich werde mich bald entscheiden müssen.
     
    Farrel wußte tatsächlich, wohin er gehen mußte. Er dachte an die Hügelkuppe mit ihren jetzt leeren Gräbern; und als die Nacht verstrich, begann ein schwerer Regen trommelnd über dem Lande niederzugehen, eisige Bächlein flossen über den unebenen Felsboden seiner Höhle, und die Kuppe, dunkel und unsichtbar in der Nacht, schien ihn herbeizuwinken. Tig wand sich vor ihm, ein Junge, ausgeliefert der Gnade und den Launen von Kräften, die im Sterben lagen, aber die noch immer größer waren … als ein Mensch, jetzt oder in Farrels Zeit weit in der Zukunft … sich vorstellen konnte. Und doch, vielleicht stimmte das nicht – vielleicht hatten die Menschen dieser Zeit die Söhne und Töchter der Erde wahrgenommen, die irgendwie, auf unerklärliche Weise, die Geschicke der Tuthanach lenkten. Vielleicht hatten die Menschen erst im Laufe der Zeit und mit ihrem wachsenden Selbstbewußtsein die Geister und Wächter dessen, was sie sahen, vergessen: der Felsen und Steine, der Bäume und der Winde, der Erde, der weiten Erde; Mutter …
    Sie rief ihn, und Farrel antwortete voller Angst. Sie waren schon einige Zeit bei ihm gewesen und hatten seine Gedanken gelenkt, aber ihre Berührung war zart und unstet. Farrel wich in seine Höhle zurück und bedeckte seinen Kopf, er hielt sich Augen und Ohren zu und versuchte, nicht zu hören oder zu fühlen, was auf ihn zukam; er versuchte, nicht daran zu denken, aber er konnte seine Gedanken nicht von ihrer Gegenwart befreien.
    Er schrie, verwirrt und verängstigt durch die fremdartige Berührung. Mit dunkel umrandeten Augen und zitternd vor Kälte und Furcht kauerte er in seiner Höhle, bis der Morgen kam, das Licht und der Frieden.
    Er rannte über das sturmgepeitschte Land, und seine Schritte fielen schwer auf das nasse Gras, das den nächsten Wolkenbruch erwartete. Tig kam auf ihn zugelaufen, und er fühlte sich über die Maßen erleichtert.
    Der Junge sah seine Angst und sprang lachend in die Höhe, dann klatschte er vor Freude in die Hände.
    „Was bedeutet das?“ schrie Farrel.
    Tig-nie-berührt-Frau-nie-berührt-Erde ging in die Hocke und schob seine Finger zwischen das dichte, verfilzte Gras.
    „Dieser Farrel wird bereitgemacht, die Erde zu berühren“, sagte er. „Hab keine Angst.“
    „Aber dieser Farrel hat Angst. Dieser Farrel hat schreckliche Angst!“
    „Es gibt keinen Grund“, sagte Tig plötzlich weniger kindisch. Er beobachtete Farrel mit glänzenden dunkelbraunen Augen. Seine Wangen und sein Kinn waren mit Fett und Farbe beschmiert, in einem sinnlosen Mosaik von Farben und halbausgeformten Mustern. Der Wind war plötzlich stark geworden, und Tig schauderte. Er stand auf und sah hoch, wobei er seine dünnen Arme um den nackten Oberkörper schlang. Auch Farrel richtete sich auf und folgte dem Blick des Jungen zum Himmel, wo dunkle Wolken und einzelne Sonnenstrahlen einander in wirrem Spiel über das Tal jagten.
    „Was wird mit diesem Farrel geschehen?“ fragte der Mann.
    Tig lächelte beinahe väterlich. „Wunderbare Dinge.“
    „Was ist unter dem Gras? Was ist dort verborgen?“
    „Dieser Farrel wird bald wissen. Furcht ist unnötig. Dieser Farrel wird nichts verlieren, was er nicht schon verloren hat.“
    Farrel starrte ihn an und fühlte sich plötzlich alt und fremd.
    „Was hat dieser Farrel verloren?“
    Tig grinste. „Seine Vergangenheit, sein Volk, seine Träume, seine seltsamen Bilder. Dieser Tig hat sie nie verstanden, hat nie die Worte verstanden. Das war immer zwischen uns. Wenn dieser Farrel Erde berührt hat, wird es verschwunden sein. Wir werden den Tempel zusammen bauen: Wir werden unsere Träume und unser Volk zusammen bau en.“
    „Das klingt wunderbar“, sagte Farrel. „Aber dieser Farrel hat immer noch Angst.“
    Tig lachte wieder. „Angst vor der Erde?“ Er scharrte mit seinen nackten Füßen über den Boden. „Angst vor Wolken? Angst vor Sonne?“
    „Angst vor …“ Er verstummte unsicher. „Dieser Farrel weiß nicht, wovor.“
    Tig schlug die Hände zusammen und schüttelte den Kopf. „Dieser Farrel sollte zur Höhle zurückgehen. Warte dort. Wenn du gerufen wirst, geh zu ihnen. Geh zu

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