Kopernikus 6
alte Carolus Clusius den im Park des Grafen Solm studiert. Er sammelte alles, was man über die Raphidae wußte, und beschrieb ein Dodo-Bein, das Peter Pauw in seinem Naturkundlichen Kabinett verwahrte, 1605 in Exoticarium libri decem, sieben Jahre nach ihrer Entdeckung.
Francois Leguat, ein Hugenotte, der einige Jahre auf Réunion lebte, veröffentlichte einen Bericht über seine Reisen, in dem er die Dodos erwähnte. Dieser Bericht erschien 1690 (als der Mauritius-Dodo schon ausgerottet war), und er enthielt die Information, daß „einige Männchen fünfundvierzig Pfund wiegen … Das Weibchen legt ein Ei, welches ist größer denn das einer Gans, und es bedarf sieben Wochen, dieses auszubrüten“.
1761 besuchte der Abbe Pingré die Maskarenen. Er sah die letzten der Rodriguez-Exemplare und sammelte alle Informationen, die er über die toten Artgenossen von Mauritius und Réunion bekommen konnte.
Danach blieben nur noch die Erinnerungen der Kolonisten und eine wissenschaftliche Debatte darüber, wo die Raphidae im großen taxonomischen Schema der Dinge hingehörten – einige sagten: Tauben, andere sagten: Rallen. Und auch diese Haarspaltereien fanden ein Ende. Der Dodo war vergessen.
Als Lewis Carroll 1865 Alice In Wonderland schrieb, glaubten die meisten Leute, er habe den Dodo erfunden.
Die Tankstelle in Memphis, an der ich telephonierte, hatte mehr zu tun als ein Einbeiniger beim Thai-Boxen. Irgendwann, zwischen dem ständigen Bimmeln der Glocke, merkte ich schließlich, daß ich durchgekommen war.
Am anderen Ende war ein Mann namens Selvedge. Mit ihm kam ich überhaupt nirgendwohin. Erst hielt er mich für einen Grundstücksmakler, dann für einen Anwalt, und jetzt argwöhnte er langsam, daß ich ein Betrüger sei. Und ich selbst war auch nicht mehr so ganz auf der Höhe. Ich hatte seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen. Ich mußte klingen wie ein Speed-Freak. Der einzige Fortschritt war, daß ich erfuhr, daß Miss Annie Mae Gudger (Spielkameradin von Jolyn Jimson) jetzt und schon länger die ehrbare Mrs. Annie Mae Radwin war. Dieser Kerl Selvedge mußte ein Sekretär, ein Faktotum oder so etwas ähnliches sein.
Mittlerweile klang unser Gespräch, als unterhielte sich ein kreischender Makao mit einem Haufen Mammutknochen. Dann klickte es plötzlich in der Leitung.
„Junger Mann?“ sagte eine neue Stimme; die Stimme einer alten Frau mit südlichem Akzent, sehr gepflegt, aber doch mit einer Spur von Hinterwald.
„Ja? Hallo! Hallo!“
„Junger Mann, Sie sagten, Sie hätten mit einer Jolyn Sowieso gesprochen? Meinen Sie Jolyn Smith?“
„Hallo! Ja! Mrs. Radwin, Mrs. Annie Mae Radwin, vormals Gudger? Sie lebt jetzt in Austin. Texas. Früher hat sie in der Nähe von Water Valley, Mississippi, gewohnt. Ich bin aus Austin. Ich …“
„Junger Mann“, unterbrach die Stimme, „sind Sie sicher, daß meine haßerfüllte Schwester Alma Sie nicht hierzu angestiftet hat?“
„Wer? Nein, Madam. Ich habe eine Frau namens Jolyn …“
„Ich würde gern mit Ihnen reden, junger Mann“, sagte die Stimme. Dann, beiläufig: „Erklären Sie ihm, wie er herfindet, Selvedge.“
Klick.
Im Waschraum der Tankstelle spülte ich mir den Mund aus, so gut es ging, und versuchte, mich mit dem alten, verklebten Wegwerf-Gillette aus meiner Reisetasche zu rasieren. Es gelang mir, ein paar Breschen in mein Kinn zu schneiden. Ich zog mir saubere Jeans und das einzige andere Hemd an, das ich bei mir hatte, und ich kämmte mich. Dann stellte ich mich vor den Spiegel.
Ich sah immer noch aus wie etwas, worauf man den Hund hetzt.
Das Haus erinnerte mich an Presleys Villa, die irgendwo in der Nähe liegen mußte. Aus einer Hütte
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