Kopernikus 6
mir wie ein gläsernes Band. WLS Chicago war im Radio.
Ich summte mit. Ich sang aus vollster Lunge.
Ein Sack voller Dodo-Knochen, Schnäbel, Füße und Eierschalen leistete mir auf dem Beifahrersitz Gesellschaft.
Wußten Sie, daß ein Museum einmal ein ganzes Blauwal-Skelett gegen ein Dodo-Gerippe eingetauscht hat?
Fahren, fahren.
Der Tanz der Dodos
Früher hatte ich manchmal eine Vision – ich hatte sie schon lange, bevor dieser Wahnsinn anfing. Wenn ich die Augen schließe und angestrengt daran denke, kann ich sie vor mir sehen. Aber am häufigsten und am lebendigsten erscheint sie mir, wenn ich lese und dabei klassische Musik höre, ganz besonders bei Pachelbels Kanon in D.
Es ist Abenddämmerung in Den Haag, und das Licht ist das von Frans Hals, von Rembrandt. Die holländische Königliche Familie und ihre Gäste sitzen im großen Speisesaal, sie essen und unterhalten sich ruhig. In den Ecken des Raumes stehen Wachen mit Piken und Hellebarden. Die Familie ist um den Tisch herum gruppiert: der König, die Königin, ein Prinz, ein paar andere Kinder, ein oder zwei adlige Gäste. Bedienstete kommen mit Tellern und Tassen, aber sie stören nicht.
Auf einer erhöhten Plattform am Ende des Raumes spielt ein Orchester Dinner-Musik – ein Cembalo, eine Viola, ein Cello, drei Violinen und Holzbläser. Einer der königlichen Zwerge sitzt auf der Kante der Plattform und streichelt langsam mit dem Fuß über den Rücken eines der Hunde, die dort schlafen.
Während die Musik von Pachelbels Kanon in D anschwillt und durch die Halle rollt, kommt täppisch einer der Dodos herein. Er bleibt stehen, legt den Kopf zur Seite, und seine Augen glänzen wie Tümpel von Teer. Er schwankt ein wenig, hebt vorsichtig erst einen Fuß, dann den anderen und wiegt sich vor und zurück, im Takt mit dem Cello.
Die Violinen wirbeln. Der Dodo beginnt zu tanzen, und sein großer, plumper Körper wirkt anmutig. Jetzt kommen die beiden anderen Dodos in die Halle und gesellen sich zu ihm, und alle drei drehen sich in einer Art Kreis.
Das Cembalo beginnt mit seinem Kontrapunkt. Der vierte Dodo, der Weiße von Réunion, kommt von seinem Platz unter dem Tisch hervor und reiht sich in den Kreis der anderen.
Er ist der Anmutigste von allen. Er vollführt ganze Drehungen, während die übrigen sich nur am Rande des Kreises, den sie gebildet haben, wiegen und verneigen.
Die Musik wird lauter; der erste Geiger sieht die Dodos und nickt dem König zu. Aber der und auch die anderen Tischgäste haben sie schon gesehen. Sie sind stumm und wie gebannt – sogar die Bediensteten stehen regungslos da, und Schalen, Töpfe und Kessel in ihren Händen sind vergessen.
Die Dodos tanzen im Kreis herum, ihre Köpfe nicken und schwingen hin und her. Der weiße Dodo verneigt sich, macht einen Halbschritt, dann eine Pirouette auf einem Fuß und dreht sich wieder im Kreis.
Wortlos ergreift der König von Holland die Hand der Königin, und sie kommen um den Tisch herum, wie Kinder vor diesem Schauspiel. Auch sie beginnen zu tanzen; im Walzertakt (Anachronismus) wirbeln sie zwischen den Dodos umher, während die Familie, die Gäste und die Soldaten zuschauen und im Takt der Musik mit den Köpfen nicken.
Dann schwindet die Vision, und es bleibt der Nachglanz eines flackernden Kaminfeuers und eines Dodo.
Der Dodo und seine Art kamen mit dem Schiff in die Häfen Europas.
Die ersten, von denen wir schriftliche Kunde haben, sind die des Kapitän van Neck, der im Jahre 1599 zwei mitbrachte – einen für den holländischen Herrscher und einen, der über Köln in die Menagerie Kaiser Rudolphs II. gelangte.
Das Königliche Vogelhaus befand sich in Schloß Negebau in der Nähe von Wien. Hier war es, wo Georg und sein Sohn Jakob Hoefnagel
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