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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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hier­her­ge­bracht, Sid Wa­re. Hast du Zwei­fel? Dann be­hal­te selbst die Kon­trol­le. Nimm die Zü­gel fes­ter, aber nicht zu fest. Nicht einen Punkt run­ter we­gen Gut und Bö­se, oder du steigst so­fort in einen Schnell­gleit­bus und fährst zu­rück nach Io­wa.“
    Wenn ich mich an Max er­in­ne­re, dann ver­su­che ich im­mer nur, an die ers­ten wil­den Ta­ge bei CBA zu den­ken. Es ist al­les ein­ge­fan­gen wor­den und leicht nach­zu­voll­zie­hen: in der Pu­bli­ci­ty, die über die Nach­rich­ten­bän­der lief und bunt und re­tou­chiert auf den Ti­tel­sei­ten von ei­nem hal­b­en Dut­zend Röh­ren­fan­ma­ga­zi­nen er­schi­en: V IDEO - MÄCK D ES E IN­UND­ZWAN­ZIGS­TEN J AHR­HUN­DERTS – G ENIE D ER R ÖH­RE .
    Auf dem Bild steht Max in der Ame­ri­can Bar, lä­chelnd, die Zäh­ne wei­ßer, die Au­gen blau­er, das Haar blon­der, klot­zi­ger, fet­zi­ger, grö­ßer als in Wirk­lich­keit. Er um­armt ge­ra­de die neues­te T&A-Mie­ze des Net­zes, Wan­ge an Wan­ge wie in ei­ner Zahn­pa­sta­re­kla­me. Mit der rech­ten Hand greift er nach mir. Ich bin nicht im Bild. Max sagt ge­ra­de: „Gib mir einen aus, Sid.“ Sein Lä­cheln hat noch nichts von dem ner­vö­sen Zu­cken, das ein­mal sei­ne Lip­pe ver­zie­hen wird, an dem Tag, an dem er ver­brennt.
    Wenn ihr so alt sein soll­tet wie ich, dann wer­det ihr euch noch an die FCC mit ih­rer Fair­neß-Dok­trin und ih­ren Vor­schrif­ten über aus­ge­wo­ge­ne Sen­de­zei­ten er­in­nern. Heut­zu­ta­ge schmeißt man einen Sa­tel­li­ten hoch als ob man einen Ball ins All wer­fen wür­de. Wirf einen Sa­tel­li­ten hoch, und du hast ein Netz. Wer kann das kon­trol­lie­ren, wer kann da­ge­gen an­stin­ken? Dut­zen­de von Net­zen kom­men und ge­hen, fu­sio­nie­ren und ge­hen ein, al­les im glei­chen Jahr – der Dreck, die Tricks, die Lü­gen! Die Be­trü­ge­rei­en, die sie ver­an­stal­ten, we­gen ei­nes Vor­sprungs von ei­ner hal­b­en Se­kun­de bei der Nach­rich­ten­be­richt­er­stat­tung, we­gen ei­nes hun­derts­tel Punkts auf dem Niel­sen-In­dex.
    In der Nacht, als Max starb, fuh­ren wir an der Spit­ze, ei­ne Niel­sen-Quo­te von neun­und­neun­zigneun­zig. Bei der An­hö­rung wur­de be­haup­tet, daß al­les ganz an­ders ver­lau­fen wä­re, wenn ich da­bei­ge­we­sen wä­re, den Span­nungs­an­stieg des Ge­fühls­felds be­ob­ach­tet hät­te. Des­halb wer­de ich in der Bran­che auch nicht mehr ar­bei­ten, selbst wenn die Ver­bren­nun­gen an mei­nen Hän­den ver­heilt sind.
    Ich sag­te: „Se­na­tor, ich bin ein Ma­cher, ich ma­che das Ge­fühl und die Treib­kraft der Nach­rich­ten, je nach Stim­mung des Pu­bli­kums. Ich schaf­fe den Nach­rich­ten­spre­cher, den Sie se­hen wol­len, und än­dere ihn, wenn Sie ihn ge­än­dert ha­ben wol­len. Die Nach­rich­ten ma­che ich nicht.“
    „Aber Fair­neß“, sag­te der Se­na­tor, „Ob­jek­ti­vi­tät, Ge­nau­ig­keit, Wahr­heit? Warum la­chen Sie?“
    „We­gen der Nai­vi­tät, Se­na­tor. Ich la­che über Ih­re Un­schuld.“
    „Aber wer macht denn die Po­li­tik? Wer macht die Ge­set­ze?“
    Ich hielt mei­ne Hän­de mit ih­rem Heil­haut­ver­band hoch.
    „Se­na­tor, ich bin stolz dar­auf, sa­gen zu kön­nen, daß die­se Hän­de, in dem Au­gen­blick, als es am wich­tigs­ten war, das Ge­setz ge­macht ha­ben.“

3

    Zum ers­ten Mal be­merk­te ich das Zu­cken im Ok­to­ber 2020. Ein lei­ses, lang­sa­mes Zu­cken zog an sei­nem Mund­win­kel, so sanft und schlep­pend, daß ich es zu­nächst über­haupt nicht wahr­nahm.
    Ali­cia, die die Niel­sen-Charts ver­folg­te, blick­te vom Schirm zur Ka­bi­ne und frag­te: „Sid, was ist das?“
    „Der kos­me­ti­sche Fi­xie­rer“, ant­wor­te­te ich ver­blüfft.
    Nach nur vier Mo­na­ten im Ge­fühls­feld brauch­te Max schon sehr oft elek­tro­ni­sches Ma­ke-up, um die Nes­sel­fle­cken zu ka­schie­ren, die zu Zei­ten ho­her Feld­span­nung vor al­lem an sei­nen Wan­gen auf­tra­ten. Ich zog einen Mi­ni­test an sei­nem Vor-Show-Image durch, aber der Fi­xie­rer wies kei­ner­lei De­fek­te auf.
    Ich spiel­te die Sa­che Ali­cia ge­gen­über her­un­ter. „Manch mal“, sag­te ich, „gibt es eben auch mal einen Glitsch.“
    Das nächs­te Mal pas­sier­te es

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