Kopernikus 6
zum Überleben viel zu nahe. Wissen Sie, ein paar Regierungen später hätte man vielleicht alles in Ordnung gebracht. Politiker sterben, oder sie fliegen aus dem Amt – sogar Naderiten. Ich behaupte, Sie haben eine schöne Bescherung angerichtet. Werden Sie glücklich, Turco.“
Er schaltete zornig ab und konzentrierte sich auf die Programmierung der Annäherung.
Farmer Kollert war im Sessel zurückgesunken, die Augen geschlossen, aber noch immer wach. Mit halber Aufmerksamkeit horchte er auf die Geräusche im Kontrollraum. Jemand klopfte ihm auf die Schulter, daß er zusammenfuhr, dann richtete er sich heftig im Sitz auf.
„Ich mußte bei dir sein, Farmer.“ Gestina stand über ihn gebeugt, ein nervöses Lächeln ließ ihre Wimpern hervortreten.
„Man hat mich hergebracht, damit ich bei dir bin.“
„Warum?“ fragte er.
Ihre Stimme zitterte, als sie antwortete:
„Weil unser Haus zerstört wurde. Ich entkam gerade noch rechtzeitig. Was ist los, Farmer? Warum wollen sie mich umbringen? Was habe ich getan?“
Der Offizier, der neben ihr stand, hielt ihm ein Stück Papier entgegen. Kollert griff danach. In einem halben Dutzend Hexamon-Zentren war es zu Ausbrüchen von Gewalt gekommen, und unzählige Beamte hatten evakuiert werden müssen. Die Geschels waren nicht die einzigen, die sich daran beteiligten – Naderiten aller Klassen schienen die Entrüstung und die Wut über die Ereignisse zu teilen. Die Ausbrüche waren nicht organisiert – und das war noch bedenklicher. Welche Gerüchte auch immer auf der Gerüchtebörse herumschwirren mochten, die Leute reagierten scharf.
Gestinas große Augen betrachteten ihn ohne Verständnis, geschweige denn mit Mitgefühl. „Ich mußte bei dir sein, Farmer“, wiederholte sie. „Ich durfte nicht bleiben.“
„Ruhe bitte“, sagte ein anderer Offizier. „Es kommen weitere Sendungen herein.“
„Ja“, erwiderte Kollert. „Ruhe. Das ist es, was wir wollten. Ruhe und Frieden und Normalität. Sicherheit für zukünftige Generationen.“
„Ich glaube, daß große Ereignisse bevorstehen“, sagte Gestina. „Was ist los?“
Porter überprüfte neuerlich die Orientierung, errichtete die Sichtschirme und stellte den Prozessor so ein, daß er das kodierte Signal aussandte. Ohne merklichen Übergang beförderte ihn der Schiffsantrieb aus dem Explosionsgebiet der Teilchen.
Giani Turco bearbeitete die Schleusenecke mit einem flachen Stück Metall, das sie aus ihrem Rückenbehälter herausgebrochen hatte. Die scharfe Kante paßte gerade in die Vertiefung, und durch Stoßen und Zwängen hatte sie die Tür einen halben Zentimeter aufbekommen. Der Evakuationsmechanismus war nicht eingeschaltet worden, weshalb eisige Luft aus dem Spalt zischte, was die Arbeit doppelt erschwerte. Über dem Janacki-Pol ging der Mond auf.
Tief unter ihr fingen sieben vorausberechnete, aber unüberprüfte Sprengladungen, die auf massiven Befestigungen in Kammern ruhten, zu surren an. Vier Prozessoren überprüften die zeitliche Abstimmung, und bei Erreichen der Gleichzeitigkeit wurden die Sicherheitsabschirmungen geöffnet.
Sechs der Ladungen gingen sofort los. Die siebente kam zehn Tausendstelsekunden zu spät, und ihre Sprengwirkungen waren gedämpft, weil der Behälter vorzeitig schmolz. Die Teilchenschockwelle strömte durch die Bohrlöcher hinaus, die jetzt Druckentlastungsventile waren, und bildete einen langen Flammenhals mit einem Schwanz aus Feuer und ionisierten Teilchen, die sich unaufhaltsam tausend Kilometer weit ausdehnten, ehe sie zergingen. Der Ausstoß vom Vlasseg-Pol war dünner und
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