Kopernikus 6
stand in der Flügeltür, die auf die Veranda führte. Sie war noch immer so schlank wie damals, als er sie geheiratet hatte, trotz fünfzehn Jahren und zwei Kindern.
„Ja, cara, was gibt es?“ Er zog die Zunge ein und befahl der Tafel, das Geschriebene zu speichern.
„Josef Krupkin.“
Kollert stand so rasch auf, daß er den Metallsessel umwarf. Er eilte an seiner Frau vorbei ins Eßzimmer, ließ sich mit dem ganzen Gewicht in einen Sessel fallen und zog den Kristallwürfel auf der Alabastertischplatte heran. Der Würfel stellte das Bild genau auf den richtigen Sichtwinkel ein, und Krupkin erschien.
„Josef! Welche Überraschung.“
„Ja“, meinte Krupkin. Er war ein kleiner Mann mit eng zusammenstehenden Augen und gewelltem schwarzem Haar. Im Vergleich zu Kollerts Massigkeit war er gewandt – aber dreißig Jahre hinter einem Schreibtisch hatten ihm das gewöhnliche Aussehen eines Hexamon-Abteilungsleiters verliehen. „Haben Sie je von Giani Turco gehört?“
Kollert dachte einen Augenblick lang nach. „Nein. Warten Sie – Turco. Irgendeine Verwandtschaft mit Kimon Turco?“
„Die Tochter. Kalifornien sollte seine radikalen Geschels besser im Auge behalten, nicht wahr?“
„Kimon Turco hat auf dem Mond gelebt.“
„Aber sie wohnte in Ihrem Bereich.“
„Na gut. Was ist mit ihr?“ Kollert wurde allmählich unbehaglich zumute. Krupkin liebte selbst in wichtigen Situationen die Umständlichkeit, und wenn er ihn zu solch einer Stunde daheim anrief, hatte dies zu bedeuten, daß sich etwas Wichtiges ereignet hatte.
„Sie ruft Sie an. Sie will nur mit Ihnen reden, mit sonst niemandem. Sie akzeptiert keinen anderen. Nicht einmal Präsident Praetor.“
„Verstehe. Wo steckt sie? Was hat sie angestellt?“
„Es ist ihr gelungen, Psyche in Betrieb zu nehmen. In den Beckman-Motoren war noch genügend Reaktionsmasse vorhanden, um den Asteroiden auf eine Kollisionsbahn mit der Erde zu bringen.“ Die linke Seite des Würfels blinkte hellrot, was zu bedeuten hatte, daß der Anruf über einen Verzerrer ging.
Kollert saß ein paar Sekunden lang ganz still da. Es bestand keine Notwendigkeit, Ungläubigkeit zu heucheln. Krupkin war in keiner Position, daß er sich solche Scherze hätte erlauben dürfen. Aber die Ungeheuerlichkeit des Gesagten – und der Drang, es ihm nicht zu glauben, trotz der Person des Nachrichtenüberbringers – lähmten Kollert für ungewöhnlich lange Zeit. Er fuhr sich mit der Hand durch das glatte blonde Haar.
„Kollert“, sagte Krupkin. „Sie sehen aus, als hätten Sie einen Hieb mit dem Beil abbekommen.“
„Spricht sie die Wahrheit?“
Krupkin schüttelte den Kopf. „Nein, Kollert, Sie verstehen nicht. Sie rühmt sich dieser Errungenschaften nicht. Bislang hat sie kein Wort davon gesagt. Sie möchte bloß mit Ihnen sprechen. Unsere Radarstationen zeigen uns aber, daß es keinen Zweifel gibt. Ich habe mit dem Offizier gesprochen, der die letzte Inspektion befehligt hat. Er behauptet, daß in den Positionsmotoren des Beckman-Antriebs genügend Masse übrig war, um den Asteroiden …“
„Das ist unglaublich! Es wurden keine Vorkehrungen getroffen? Die Masse wurde nicht abgelassen oder dergleichen?“
„Ich bin kein Geschel, Farmer. Meine Techniker erklären mir, daß die Masse auf Psyche blieb, weil es mehrere hundert Millionen gekostet hätte …“
„Das berührt uns jetzt nicht mehr. Mögen sich die Journalisten darüber den Kopf zerbrechen, falls sie davon Wind bekommen.“ Er blickte auf und bemerkte, daß Gestina noch immer in der Flügeltür stand. Er hob die Hand, um ihr mitzuteilen, daß sie bleiben solle, wo sie war. Sie mußte ihn im Haus gegen die Umwelt abschirmen, bis die ganze Sache vorbei war.
„Sie kommen?“
„Welches Zentrum?“
„Spielt das eine Rolle? Sie geht nicht sehr diskret vor. Ihre Botschaft ist auf der ganzen Halbkugel zu hören, und es gibt Hunderte von Abhörstationen, die mithören können. Mehrere davon unterliegen nicht unserer Kontrolle. Sobald jemand die Quelle feststellt, ist die Geschichte klar. Am einfachsten, Sie begeben sich zur Station Baja. Mexiko hat alle einschlägigen Abkommen unterzeichnet.“
„Ich mache mich jetzt auf“, erwiderte Kollert. Krupkin nickte, und der Würfel erlosch.
„Wovon redet er?“ fragte Gestina. „Was ist Psyche?“
„Ein Felsbrocken, meine Liebe“, entgegnete er. Ihre Begabungen lagen auf anderen Gebieten – sie war nicht dumm. Selbst für eine Naderitin wußte sie jedoch
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