Kopernikus 6
einen Trapezakt durchführen mußte. Mehrere Offiziere des Antiterrorkommandos des Hexamons hörten alles mit, was er sagte, und warteten darauf, rechtzeitig ein Stück Rauschen einzufügen. Umgekehrt gab es keine Möglichkeit zu verhindern, daß Turcos Worte offene Stationen auf der Erde erreichten. Er schwitzte heftig unter den Armen. Stationen auf dem Mond – die Halunken dort sympathisierten möglicherweise mit ihr – konnten die Botschaften auffangen und zur Erde ausstrahlen. Ein Tropfen Schweiß tropfte ihm von der Achsel in den Ärmel, so daß er unwillkürlich zittern mußte.
„Das ist meine einzige Forderung“, sagte Turco. „Kein Geld, nicht einmal Straffreiheit. Ich möchte nichts für mich selbst. Ich möchte bloß, daß die Menschen die Wahrheit erfahren.“
„Ser Turco, Sie haben die ideale Rednertribüne, um der Menschheit alles mitzuteilen, was Sie gerne sagen wollen.“
„Das Hexamon kontrolliert die meisten wichtigen Empfangsstationen. Alles übrige – mit Ausnahme einiger weniger Amateurfunker und Radioastronomen – ist verkabelt und wird kontrolliert. Damit die meisten Leute erreicht werden können, muß der Hexamon-Komplex seine Rolle in der Sache eingestehen.“
Bevor er wieder mit ihr sprach, fragte Kollert, ob es irgendeine Möglichkeit gab, sie in der Täuschung zu wiegen, daß ihre Forderungen erfüllt würden. Die Antwort war zwiespältig – ein paar hundert Leute zerbrachen sich den Kopf darüber.
„Ich habe mit meinen Leuten beraten, Ser Turco, und ich kann Ihnen versichern, daß dem Projekt Psyche, soweit die Bestunterrichteten unter uns wissen, niemals etwas derart Abgefeimtes angetan wurde.“
Später konnte er, so stand es in den Richtlinien, eine Andeutung fallen lassen, daß ein paar Nachprüfungen unterblieben waren und daß ein subalterner Offizier von vom Mond ausgehender Sabotage auf Psyche gesprochen hatte. Das würde die Hitze vielleicht abziehen. Im Augenblick jedoch konnte sich jedes Eingeständnis, daß es in der menschlichen Umwelt des Asteroiden psychotrope Drogen gab, gegen sie selbst richten.
„Darüber diskutiere ich nicht“, entgegnete sie. „Es steht außer Zweifel, daß der Hexamon-Komplex die Sabotage auf Psyche angeordnet hat.“
Kollert steckte die Zunge zwischen die Lippen und gab dem Skriptprozessor die Schlüsselworte ein. Die gewünschten Aussagen erschienen über Turcos Bild. Er blickte mit ernster Mine in die Kamera. „Wenn wir etwas derart Entsetzliches getan hätten, hätten wir sicher für einen solchen Fall Vorsorge getroffen … hätten die Reaktionsmassen aus den Steuermotoren abgelassen …“ Einer der Offiziere des Antiterrorteams winkte ihm mit finsterem Gesichtsausdruck verzweifelt zu. Wo sie von Statik überlagert wurden, erschienen die Worte rot auf dem Schirm. Es durfte nicht erwähnt werden, daß Turco sich in den Besitz Psyches gesetzt hatte. Diese Frage war zu heikel, und die Schuldfrage war noch nicht entschieden. Außerdem stand noch immer die Option offen, der Öffentlichkeit nie mitzuteilen, daß Turco Psyche in ihre Gewalt gebracht hatte. Wenn alles gutging, würde man die Angelegenheit ohne kostspielige Geständnisse beilegen.
„Entschuldigen Sie“, sagte Turco ein paar Sekunden später. Die zeitliche Verzögerung zwischen den Übertragungen ging ihr auf die Nerven, soweit Kollert das beurteilen konnte. „Etwas ging hier verloren.“
„Ser Turco, der Tod Ihres Vaters auf Psyche war ein Zufall, und Ihre jetzigen Handlungen sind lächerlich. Die Zerstörung des Hexamon-Komplexes – viel besser als ‚Erde’ zu sagen – ändert daran nichts.“ Er lehnte sich im Sitz zurück und kaute am Nagel des Zeigefingers. Diese Geste hatte eine Stunde vor Beginn der Verhandlungen Zustimmung gefunden, doch war sie nahezu völlig echt. Die sonstige Eleganz seiner Ausdrucksweise schien sich bei dieser Begegnung abzuschleifen. Ihm waren bereits mehrere peinliche Schnitzer unterlaufen.
„Ich tue das nicht aus logischen Gründen“, meinte Turco schließlich. „Ich tue es aus Haß auf euch und alle Menschen, die euch unterstützen. Was auf Psyche geschah, war durch und durch eine Schweinerei – es war sinnlos, wurde in der schlechtesten Absicht durchgeführt und führte zum Tod eines herrlichen Traumes, von dem einiger Menschen, die ich liebte, ganz zu schweigen. Geschwätz kann meine Meinung darüber nicht ändern.“
„Warum verhandeln Sie dann überhaupt mit mir? Ich bin schwerlich der höchste Beamte im
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