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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Selbst wenn alles nach Plan ginge, waren seine Überlebenschancen gering, denn er war so gut wie schutzlos. Ganz gewiß war es ein Himmelfahrtskommando. Ren behauptete, das sei ihm scheißegal. Vielleicht war es das wirklich. Zumindest hatte er sich eingeredet, daß es so war. Er war ein sonderbarer Mann. Er war älter als wir anderen, älter auch als Heynith, und die meiste Zeit seines Lebens hatte er als Kadett in der Verwaltung in Urheim gearbeitet, sein ganzes Dasein diesem Job gewidmet und seine gesamten Energien darauf angewendet. Dreimal hatte man ihn bei der Beförderung in den Exekutivstatus übergangen, und über Jahre hinweg verdoppelte er seine Anstrengungen, während seine Unruhe von Ablehnung zu Ablehnung wuchs. Nach dem dritten Fehlschlag war er ohne viel Aufhebens in den Ruhestand getreten, um von der Kreditrente zu leben, die er sich in vierzig Dienstjahren verdient hatte. Am nächsten Morgen, pünktlich zu Beginn seiner normalen Arbeitszeit, hatte er einem Sicherheitsbeamten im Verwaltungskomplex ein Biomart gestohlen, war in seinen Sektor gegangen, hatte alle, die sich dort aufhielten, getötet und war danach aus Urheim verschwunden. Nach einem Jahr auf der Flucht war es ihm gelungen, mit den Quästoren Kontakt aufzunehmen. Er absolvierte ein Ausbildungsjahr und arbeitete dann trotz seines Alters in einem Kommandotrupp. Das war vor fünf Jahren gewesen, und seit zwei Jahren kannte ich ihn. In der ganzen Zeit hatte er nur wenig gesprochen. Er arbeitete hervorragend und mit einem Minimum an überflüssigen Bewegungen. Er beging niemals einen Fehler, beklagte sich nie und zeigte nie irgendwelche Gefühle. Aber gelegentlich lächelte er und brannte ein Loch in irgend etwas. Oder in irgend jemanden.
    Die Sonne tauchte hinter den Horizont. Es sah aus, als stürzte sie in einer Flammenexplosion auf die Ebene herab. Die Nacht verschlang uns mit einem Biß. Es war finster wie in einem Walfischbauch.
    Das riß mich augenblicklich in die Wirklichkeit zurück. Einen schrecklichen Moment lang glaubte ich, blind geworden zu sein, aber dann kehrte mein Verstand zurück. Ich klappte die Infrarotlinsen über die Augen und aktivierte sie. In rötlichen Schattierungen kehrte die Welt zurück. Heynith rieb seine verkrampften Beine am Rumpf des Laser. Er sagte ein paar Worte, und wir schluckten einige Aufputschpillen, um uns wachzuhalten. Sie schmeckten bitter, und wie immer war es schwierig, sie trocken herunterzubringen, aber sie lösten ein vertrautes, brennendes Wogen in meinem Magen aus, und mein Blut begann schneller zu fließen. Ich warf einen Blick auf Heynith. Er war still gewesen, selbst für seine Verhältnisse. Ich fragte mich, woran er denken mochte. Er sah mich an, und vielleicht las er meine Gedanken. Er befahl uns, den Graben zu verlassen.
    Langsam krochen Goth und ich ins Freie, und wir fühlten uns steif und spröde. Wir schlugen auf unsere Arme und Schenkel und stampften umher, um den Blutkreislauf in Gang zu bringen. Sterne funkelten am Himmel, wie Salzkörner auf schwarzem Porzellan. Ich stellte fest, daß ich sie immer noch nicht entziffern konnte. Die Tagpflanzen waren verschwunden, die Tagtiere in einen Starrkrampf verfallen. Die Nachtpflanzen brachen aus der Erde, genährt von den Überresten der Tagpflanzen. Sie wuchsen rasch, verdoppelten, verdreifachten ihre Höhe, während wir zusahen. Es waren hauptsächlich dicke, klebrige Büsche mit breiten, pfeilförmigen Blättern von matter purpurner und schwarzer Färbung, etwas über einen Meter hoch. Goth und ich gruben eine Anzahl davon aus, ohne die Wurzeln zu beschädigen, und legten sie auf die Plane, um die Tagpflanzen zu ersetzen, die bei der ersten Berührung mit der bitteren Abendkälte zusammengeschrumpft waren. Wir mußten mit wattierten Handschuhen arbeiten, denn die Blätter absorbierten gierig auch die geringste Wärme und brannten wie Trockeneis.
    Dann waren wir wieder im Graben, und es war schlimmer als zuvor. Die Bewegung hatte ein wenig Erleichterung gebracht, aber ich spürte, wie die betäubende Panik zurückgekrochen kam, und die vorübergehende Erleichterung machte es noch schwerer, sie zu ertragen. Ich versuchte, ein Gespräch in Gang zu bringen, aber es erstarb in einsilbigem Grunzen, und die Stille saugte jedes Echo auf. Heynith überprüfte zum x-ten Male methodisch die Lasersteuerung. Er war angespannt; ich sah, wie seine Schultermuskeln sich strafften, wie seine Waden sich steinhart wölbten, als er sich gegen die

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