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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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an dem Mongongo-Baum äst.
    Grashüpfer, Kxon-Ameisen, Mistkäfer hüpfen und krabbeln zwischen den Gräsern. Leguane hasten davon. Eine Maulwurfsschlange gleitet in ihr Loch unter einem Uri-Busch. Ich gehe schnell, der Sand unter meinen Füßen ist warm, aber nicht heiß. Die Ebene ist sonnendurchglüht, die wenigen kleinen Omirimbi-Wasserläufe ausgetrocknet, trotzdem spüre ich kaum Durst. Ein Springbock flüchtet hinter eine Weißdornakazie. Hier ist ein guter Ort, entscheidet ein Teil von mir. Hier wird Kuara ein Jäger werden, wie Tuka es nicht sein konnte. Kuara wird niemals lachen, um die Traurigkeit auszuschließen.
    Der Horizont kommt nicht näher.
    Ich messe die Giraffe mit dem Daumen ab, gehe tausend Schritte, messe wieder, gehe noch einmal tausend Schritte, messe aufs neue.
    Die Giraffe wird nicht größer.
    Ich werde noch einmal tausend Schritte gehen. Dann werde ich umkehren und mein Tshushi fertig bauen.
    Nach hundert Schritten laufe ich gegen etwas Hartes.
    Eine Wand.
    Auf der anderen Seite äst die Giraffe immer noch.
     
    Die Weißen mit den Landrovern kamen zu Ga, der heißesten Jahreszeit. Die Lastwagen schaukelten und dröhnten auf dem Sand. Tuka nahm Kuara und eilte ihnen entgegen. Auch ich kam, aber ich ging mit den anderen Frauen hinterher. Es waren einige Weiße und ein paar Bantus. Im vordersten Wagen stand Gai, winkte und grinste.
    Eine blondhaarige weiße Frau stieg aus. Sie hatte weiße Shorts und ein hellbraunes Hemd mit aufgerollten Ärmeln an. Ich erkannte sie sofort. Doktor Morse, die uns wieder studieren wollte. Tuka hatte gesagt, die Weißen fänden an ihrer eigenen Kultur nichts Interessantes, darum studierten sie so gerne unsere.
    Sie unterhielt sich lange mit uns Frauen und fragte uns nach unseren Familien und was wir von der Volksarmee SWAPO hielten. Alle redeten auf einmal. Sie gestikulierte, wir sollten ruhig sein. „Was denkst du, U?“ fragte sie dann. „Was ist deine Meinung?“ Ich sagte, sie solle Tuka fragen; er sei ein Mann und verstünde solche Dinge. Sie schien unzufrieden zu sein, darum sagte ich, SWAPO sollte keine Menschen umbringen. SWAPO sollte die Leute in Frieden lassen. Doktor Morse schrieb alles in ihr Notizbuch. Ich war mit mir zufrieden. Die anderen Frauen waren sehr eifersüchtig.
    Doktor Morse erzählte uns, der Krieg in Südafrika nehme einen schlechten Verlauf; bald würde er auch hierher kommen. Als Tuka sich lange genug die Motoren angesehen hatte, fragte ich ihn, was Doktor Morse mit „schlecht“ meinte. Schlecht für die Schwarzen oder für die Weißen. Schlecht für die im Süden oder für uns in der Kalahari. Er wußte es nicht. Niemand von uns fragte Doktor Morse.
    Dann sagte sie: „Wir haben euch Wasser gebracht. Viel Wasser. Wir haben gehört, daß ihr keines hattet.“ Ihr Haar glänzte im Sonnenschein. Für eine weiße Frau war sie sehr schön.
    Wir lächelten, wiesen aber das Angebot zurück. Sie runzelte die Stirn, schien aber nicht eigentlich ärgerlich zu sein. Vielleicht glaubte sie, wir täten das, weil sie weiß war. Dann irrte sie sich; wenn wir Geschenke annehmen, könnten wir die vergessen, die die Kalahari uns gibt. „Fahrt aber wenigstens ein Stück auf den Lastwagen mit“, bat sie mit strahlendem Gesicht. Tuka lachte und rannte mit Kuara an der Hand auf die beiden Landrover zu. Ich schüttelte den Kopf. „Du solltest wirklich mitfahren“, sagte Doktor Morse. „Das wird dir Spaß machen.“
    „Das ist etwas, was Männer tun“, erklärte ich ihr. „Frauen verstehen davon nichts.“
    „Sie werden doch nur hintendrauf mitfahren!“
    „Lastwagen. Jagd. Feuer. Das sind Männerangelegenheiten“, sagte ich.
    Nur einer der Lastwagen kam zurück. Alle bis auf Tuka, Kuara und einige der Bantus waren dabei. „Der Wagen ist im Sand steckengeblieben; die Weißen wollen bis zum Morgen warten, um ihn herauszuziehen“, sagte Gai. „Tuka will daneben schlafen. Du weißt, wie verrückt er nach Lastwagen ist!“ Alles lachte. Außer mir. Ich fühlte eine pochende Leere in meinem Herzen; ich ärgerte mich, daß ich mich nach ihm sehnte.
    Dann kam der Regen. Es war Ga Go – männlicher Regen. Ein starker, plötzlicher Guß, nicht gleichmäßig und sanft wie der weibliche Regen, der das Land mit Wasser erfüllt. Regen in der Ga-Zeit! Alle jauchzten und tanzten vor Freude. Sogar die Weißen tanzten. Ein Wunder, sagten die Leute. Ich dachte an den Honigdachs in der Kuma-Zeit und hatte Angst. Ich fühlte mich einsam. Trotz meiner

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