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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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kam vorbei an Ubbee-Wurzeln und den ausgebleichten, vergessenen Gebeinen längst toter Tiere. Ich erreichte ein Wasserloch tief unter dem Erdboden. Tuka war im Wasser. Kuara auch. Er sah jünger aus, gerade im Krabbelalter. Tuka lächelte und sah gut aus. Er ist kein schlechter Mensch, sagte ich zu mir; er ist nur zu eigensinnig. Aber er hat unseren Leuten Fleisch gebracht, das kann ich nicht vergessen. Und eines Tages wird er mir vielleicht einen neuen Kaross bringen. Vielleicht wird er viele Dinge bringen. Wichtige Dinge.
    Ich zog meinen Kaross aus, und wir drei faßten uns bei den Händen, tanzten nackt und plantschten. Kein Num wollte von mir Besitz ergreifen. Kein Drang zu dem, was Verheiratete tun, überkam Tuka. Nichts als Stille und Lachen.
     
    „Dies wird deine neue Heimat, U“, erklärt mir Doktor Stefanko, als sie eine Tür öffnet. Sie hat mir einen neuen Kaross gegeben; Echt-Oryx nennt sie ihn, wenn ich auch nicht weiß, warum sie sich so ausdrückt. Als sie ihre Hand auf meinen Rücken legt und mich voranschiebt, fühlt sich der Kaross weich und glatt auf meiner Haut an. „Wir glauben, es wird dir gefallen, und wenn du irgend etwas brauchst …“
    Ich halte mich am Türrahmen fest und wende mein Gesicht ab. Ich will an diesem Ort nicht leben, ihn nicht einmal anschauen. Aber sie schiebt stärker, und ich stolpere hinein. Ich bedecke mein Gesicht mit den Händen.
    „Aber, aber“, sagte Doktor Stefanko. Ich spähe durch die Finger. Wir sind in der Kalahari.
    Ich drehe mich langsam um, denn plötzlich strahlt und singt mein Herz. Keine Tür. Keine Wände. Keine Winkel. Das sandige Feld dehnt sich unter wolkenlosem Himmel. Blaßgoldenes Gras mit ein paar verstreuten Weißdornakazien und Tsi-Bäumen, soweit man sehen kann; in der Ferne erheben sich einige Schirmakazien und sogar ein Mongongo-Baum. Ein Webervogel schießt aus einem Steinwall und wieder hinein.
    „Hier wäre ein guter Platz für dein Tshushi – deine Schutzhütte“, sagte Doktor Stefanko und zieht mich vorwärts. Sie dringt in das hohe Gras vor, bückt sich und taucht lächelnd auf, mit Zweigen in einer Hand, Gui-Fasern in der anderen. „Siehst du? Wir haben sogar schon etwas von dem Material geschnitten, das du brauchst.“
    „Aber wie …“
    „Der Mond ist doch gar kein so schrecklicher Ort, oder?“ Sie kommt mit langen Schritten durch das Gras zurück. „Und wir hier in Carnival setzen alles daran, um deinen Aufenthalt hier so angenehm wie möglich zu gestalten. Schau einmal.“ Sie hebt einen Stein. Eine Knopfreihe glänzt. „Wenn du diesen Knopf drehst, kannst du das Wetter regulieren; du brauchst nicht mehr unter diesen schrecklich heißen und kalten Jahreszeiten zu leiden. Es sei denn natürlich, du möchtest das“, fügt sie rasch hinzu. „Und hin und wieder werden ein paar nette Leute auf dich – bei dir vorbeischauen. Von dort oben. Vom Himmel.“ Sie machte eine ausholende Armbewegung. „Sie möchten sehen, wie du lebst; du – und andere wie du – ihr seid eine ziemliche Sensation, weißt du.“ Ich starre sie verständnislos an. „Wenn du sie sehen willst, brauchst du jedenfalls nur diesen Knopf zu drehen. Und wenn du hören möchtest, was der Monitor über dich sagt, dreh diesen hier.“ Sie blickt auf, sieht meine Verwirrung. „Oh, keine Sorge; der Monitor übersetzt alles. Eine wunderbare Erfindung.“
    Sie stellt sich auf und nimmt mich beim Arm. Ihre Augen sehen fast warm aus. „Siehst du, U, auf der Erde gibt es keine Kalahari mehr – jedenfalls nicht so, wie du sie kanntest –, also haben wir eine neue geschaffen. In mancher Hinsicht wird sie nicht so gut sein wie das, was du gewöhnt bist, aber in vieler Hinsicht wird sie besser sein.“ Ihr Lächeln ist wieder da. „Wir glauben, du wirst dich hier wohl fühlen.“
    „Und Kuara?“
    „Er erwacht gerade. Er wird bald bei dir sein.“ Sie ergreift meine Hände. „Bald.“ Dann geht sie zurück in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Ihre Gestalt verschwimmt rasch in der Entfernung. Plötzlich ist sie verschwunden. Über dem Gras flimmert ein Hitzeschleier, wo scheinbar die Tür war. Einen Augenblick überlege ich, ob ich ihr nachgehen soll. Schließlich zucke ich die Achseln. Ich arbeite an meinem Tshushi. Ich arbeite langsam und methodisch, während mein Kopf voller Gedanken ist. Ich denke an Kuara, und etwas nagt an mir. Ich lasse die Faser fallen, die ich in der Hand habe, und gehe auf den gegenüberliegenden Horizont zu, wo eine Giraffe

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