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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Angst oder vielleicht wegen ihr tat ich etwas Törichtes. Ich schlief ein Stück von den anderen abseits.
    In der Nacht kam das Stille wieder über mich. Num löste sich aus meinem Bauch. Ich hatte es nicht gerufen, ganz bestimmt nicht. Ich hatte nicht einmal daran gedacht. Ich spürte im Schlaf, wie mein Körper sich verkrampfte. Im Traum konnte ich mein flaches, hastiges Atmen hören. Die Angst packte mich und schüttelte mich wie den Zweig eines Ni Ni-Busches. Ich sank in die Erde. Tuka und Kuara standen mit hängenden Schultern im dampfenden, knöcheltiefen Wasser des Wasserlochs, wo wir getanzt hatten. Kuara hatte den Kopf eines Gnus auf; an Stelle der Augen hatte er glühende Kohlen. Alles, was er immer wieder sagte, war: „Lauf weg, Mutter.“
    Ich erwachte im Schatten. Etwas Dunkles glitt über mich, bevor ich mich rühren konnte. Ich sah noch, wie Gai unter dem Mond grinste. Dann hielt mir eine Hand den Mund zu.
     
    Doktor Stefanko kommt wieder, als ich mit der Hütte fertig bin. Sie und Gai bringen Häute von Warzenschwein und Kudu, Stacheln vom Stachelschwein, Schildkrötenpanzer, Straußeneier, einen Wetzstein, eine Ahle, zwei Assegaiklingen, Töpfe aus Bantu-Ton. Gai grinst, während er die Sachen hinstellt. Doktor Stefanko beobachtet ihn. „Er hätte auf der Erde nicht unverheiratet bleiben müssen, wenn deine Leute ihn nicht auf diese Rolle festgelegt hätten“, sagt sie zu mir, als er weggeht. Dann geht auch sie.
    Später bringt sie Kuara.
    Er rennt unbeholfen durch das Gras, das ihm fast bis ans Kinn reicht. „Mama“, schreit er, „Mama, Mama“, und ich fange ihn in meinen Armen auf, schwenke ihn herum und lache. Ich lege meine Hände auf seine Wangen; seine Arme sind um meine Taille geschlungen. Er ist wirklich. Tatsächlich. Ganz wirklich, mein Kuara! Die Tränen strömen mir übers Gesicht. Er wirkt hohläugig, und sein Haar ist geschoren. Aber ich lasse keine Sorge an mein Herz. Ich weine vor Freude, nicht vor Kummer.
    Doktor Stefanko geht, und Kuara und ich reden miteinander. Er schwätzt von einem seltsamen Schlaf und Doktor Stefanko und Gai, während ich ihm das Lager zeige. Wir spielen mit den Knöpfen, die Doktor Stefanko mir gezeigt hat; einer von ihnen läßt in dem kleinen Winkel zwischen dem Himmel an der Wand und dem Himmel an der Decke eine Reihe von Fensterchen erscheinen. Die Fenster sehen aus wie eine Schnur von eckigen Perlen. Von dort spähen Gesichter herunter. Kinder. Alte Männer. Frauen mit Gesichtern wie Springhasen. Menschen vieler Rassen. Ich sage ihm, er solle niemanden anlächeln oder zu bemerken scheinen. Nicht einmal die Kinder. Die Kinder am allerwenigsten. Es sind bestimmt Gesichter von Geistern, warne ich ihn. Geister, die gerne Gwi werden möchten.
    Wir hören der Stimme zu, die Doktor Stefanko den Monitor nennt. Es ist ein einschläfernder Singsang. Eine Frauenstimme, wie ich glaube. „U und Kuara, die letzten Neuzugänge in Carnival, Angehörige der letzten Stammesgruppe der Gwi, werden sich in unseren erstklassigen Einrichtungen bald eingewöhnen“, sagt die Stimme. Sie begleitet uns, wenn wir Wurzeln und Holz sammeln gehen.
    Ein Leguan steckt seinen Kopf aus dem Steinwall und lauscht. Geräuschlos lege ich meine Holzlast hin. Dann bewegt sich meine Hand ganz langsam. So langsam, daß es fast keine Bewegung mehr ist. Ich greife zu. Gefangen! Kuara jubelt und klatscht in die Hände. „Beachten Sie die Hautfalten auf Wangen und Oberschenkeln“, sagt die Stimme. „Ebensolche befinden sich auf dem Hinterteil, jedoch wird U wie jede Gwi mit Selbstachtung ihren Kaross nicht in Gegenwart anderer ablegen, es sei denn beim Elentanz.“ Ich trage den zappelnden Leguan zur Hütte. „Wenn sie sich entkleidete, würden Ihnen die mächtigen Fettablagerungen am Steiß auffallen. Diese anatomische Besonderheit, ein Phänomen namens Steatopygie, kommt nur bei Buschmännern oder vielmehr Buschfrauen vor und dient zur Nahrungsspeicherung. Früher glaubte man …“
    Nachdem ich dem Leguan das Genick gebrochen habe, ziehe ich den Kaross aus Echt-Oryx aus und binde ihn mit Gui-Fasern vor meine Hütte. Er gibt eine prima Tür ab. Ich habe noch nie eine Tür gehabt. Tuka und ich haben im Freien geschlafen und das Tshushi als Lagerraum benutzt. Kuara wird eine Tür haben. Eine Tür zwischen ihm und den Zuschauern.
    Er wird auch Feuer haben. Ein Feuer, das Wärme und Nahrung gibt und an dem U singt. Ich sammle Stöcke von Kane und Ore und schneide sie männlich und weiblich

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