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Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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starr­ten aus der Dun­kel­heit. Sie ver­stand nicht, wo­her das Seuf­zen und Stöh­nen, gleich ne­ben ihr, gleich um die Ecke, kam.
    Als sie wie­der in den Schlaf, auf den Bo­den des Brun­nen­schachts hin­ab, fiel, zer­rieb sie ih­re Kie­fer in ei­nem mal­men­den Ge­räusch. Sie lag in ih­rem Bett, in ei­nem gel­ben Licht, die klei­nen Hän­de zu trot­zi­gen Fäus­ten ge­ballt. Manch­mal trat Schaum über ih­re Lip­pen aus. Das Spin­nen­netz über ih­rem Kopf strich im­mer wie­der auf die Kis­sen her­ab. Ei­ne Pflan­ze wuchs in dem Bett­kas­ten ne­ben Ka­rin auf – groß, grün, schlür­fend bläh­te sie sich über ei­nem flei­schi­gen, ro­ten Kelch.
    Ent­ge­gen dem Be­fehl ih­res Va­ters war sie – noch als klei­nes Kind – zum Fens­ter hin­aus­ge­schlüpft. Sie stand auf dem Fens­ter­vor­sprung in dem von un­ten her­auf­drin­gen­den Licht hoch über der sum­men­den Stadt. Als sich die Er­de dreh­te, wur­de ihr schwind­lig. Der Mond hat­te sich als große ro­te Schei­be über den Him­mel be­wegt. Ein Paar Krä­hen se­gel­te mit kräch­zen­den Ru­fen un­ter ei­nem dün­nen Wol­kensaum hin­weg.
    Auf dem glä­ser­nen Dach, un­ter dem ein Treib­haus lag, hob Ka­rin ein weg­ge­wor­fe­nes Spiel­zeug auf – ein von To­bi­as ge­bas­tel­tes Pro­jek­til, ei­ne Spin­del, ein schlan­kes Ra­ke­ten­ding. Das Pro­jek­til er­zit­ter­te in ih­rer Hand. Wie wenn man in die Zu­kunft se­hen kann, er­kann­te sie, wie sich das Pro­jek­til ih­rer Hand ent­wand. Es stieg steil über den Dä­chern auf, bohr­te sich in den Wol­ken­schlei­er hin­ein und er­strahl­te zu­letzt als wei­ßer Punkt, der um die Er­de lief.
     
    Sie öff­ne­te die an der Spit­ze der Ur­miel an­ge­brach­te Lu­ke mit ei­nem Ruck. Die Luft, die ihr ent­ge­gen­schlug, war frisch und rein. In ei­nem Luft­loch klet­ter­te sie durch die Lu­ke auf die Au­ßen­wand des Schiffs hin­aus. Un­ter ih­ren blo­ßen Fü­ßen lag die Schiffs­hül­le nackt und kalt. Von der Spit­ze des Schiffs, von dem dort an­ge­brach­ten An­ten­nen­wald, war ein fei­nes, glit­zern­des, silb­ri­ges Netz weit hin­aus zu den ent­fern­tes­ten Ster­nen ge­spannt.
    Vor­sich­tig, mit nack­ten Ze­hen, trat Ka­rin auf ein dickes Tau hin­aus, das di­rekt von der Lu­ke zu den Ster­nen lief. Das Tau un­ter ih­ren Fü­ßen war feucht und kalt. Es zit­ter­te un­ter der klei­nen Last. Tau­per­len fie­len von ihm ab. Das ent­fern­te Spin­nen­netz leuch­te­te in ro­ten und blau­en Far­ben auf. Kris­tall reg­ne­te vom Him­mel her­ab. In dem Kris­tall war jetzt ein dunk­ler Leib zu se­hen – ein un­för­mi­ges Ding, das er­staun­lich be­hen­de über die Fä­den her­un­ter­g­litt.
    Dann wuch­sen aus dem Leib sei­de­ne Här­chen auf, bald ein gan­zer kleb­ri­ger, fins­te­rer Wald. Die Spin­ne schick­te ein lei­ses Zi­schen vor­aus. Aus ih­ren Kie­fern tropf­te Ge­lee her­ab – es war ein ro­ter, sü­ßer, den Atem neh­men­der Saft. An ei­ner Kreu­zung im Netz hielt die Spin­ne an. Ka­rin nahm ei­ne große Na­del aus der Hutschach­tel her­aus und feuch­te­te sie mit der Zun­ge an. Die Na­del blitz­te auf, als die Spin­ne her­un­ter­kam.
    Zwei, drei ro­te Bluts­trop­fen fie­len in den sich auf­tür­men­den Kris­tall. Der Kris­tall, der noch eben in ei­si­gem Blau er­schi­en, wur­de an sei­ner Ober­flä­che matt. Der Wind, der jetzt wie­der blies, zer­riß das Netz. Die Spin­ne stürz­te mit in der Luft ru­dern­den Bei­nen von dem Netz her­ab. Die Ur­miel lös­te sich aus dem Zen­trum des fort­schwin­gen­den Net­zes her­aus. Ih­re Dü­sen flamm­ten auf. An Bord des Schif­fes wur­de Licht ge­macht.
     
    To­bi­as hat­te sich auf der Sei­te wie ein schla­fen­der Hund zu­sam­men­ge­rollt. Von ir­gend­wo kam ein Sturm auf, der grau­en Sand in sei­ne Ka­bi­ne blies. Wäh­rend To­bi­as schwer at­mend schlief, häuf­te sich der Sand über ihm, bis von dem Jun­gen nur noch ein Au­ge, ein Ohr, ei­ne Haar­sträh­ne üb­rig­b­lieb.
    Man­che Er­in­ne­run­gen, von de­nen wir glau­ben, daß sie ei­gent­lich ver­ges­sen sind, sit­zen tief in uns fest. Viel­leicht war es ein zu­fäl­li­ges Wort, viel­leicht hat­te der Va­ter vom letz­ten Thea­ter­be­such er­zählt. Si­cher

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