Kopernikus 7
geschnitzt und zeigte ihn stolz, und Fenter lächelte. Der Junge war geschickt und klug, brachte aus der Missionsschule viel Lob mit, Fenter bildete sich ein, aus ihm könnte etwas Besonderes werden.
Und auch meine Tochter, murmelte er, sie redete mit ihren acht Jahren die Sprache der Fremden schon fast so gut wie ihr heimisches Suaheli. Da wird einem armen Bauern wie mir nichts anderes übrigbleiben, als eines Tages beide Kinder zur Hochschule nach Nairobi zu schicken, dachte er und seufzte glücklich. Sie werden studieren und fortgehen, und dann werden sie auf ihr kleines Dorf und ihre dummen Eltern herabsehen; da schau her, Mbise, ich bin auch nur ein kleiner Bauer gewesen, wie du.
Im Abendlicht färbte sich das Dorf rosa, der heiße Tag versank im Schatten der Häuser, Behaglichkeit breitete sich aus. Fenter streckte sich vor dem Eingang seiner Hütte aus und schloß die Augen, wie er es immer tat, aber heute entspannte es ihn nicht.
Der Orkoyote wartete auf ihn.
Die Hütte des Zauberers war kleiner als die anderen Häuser, eng und atemlos, Licht flackerte in einer blauen Lampe.
Kwa-n-Sana bat ihn, sich zu setzen, hockte sich selbst in den unruhigen Schein der Flamme und sagte sehr seltsame und unverständliche Dinge.
Fenter verstand nur soviel, er sei der Arm eines Speeres, und irgendwo habe der Orkoyote ihn als Auserwählten gesehen. Auch daß es ein besonderer Speer sei, vermutlich ein heiliges Symbol, begriff Fenter noch, doch erinnerte er sich nicht, jemals vorher von diesen Dingen gehört zu haben.
„Was werden wir mit dem Speer tun?“ fragte er vorsichtig. Kwa-n-Sana antwortete: „Ein Zeichen setzen.“
Fenter, nun völlig verwirrt, schwieg, hoffte, der Zauberer würde ihm die Zusammenhänge erläutern. Doch der saß starr da, wie entrückt, die Flamme in der blauen Lampe verdämmerte.
Plötzlich sprach Kwa-n-Sana, damals, vor fünf Generationen, hätten weiße Kolonialisten das Hochland gestohlen, die Kikuju seien in die dürre, kaum fruchtbare Steppe verdrängt worden, das Bauernvolk, früher wohlhabend, sei heute arm und ausgezehrt. Aber trotz aller Schwierigkeiten sei die Dorfgemeinschaft erhalten geblieben, die Tradition; die Regeln des Zusammenlebens und den Rat der Ahnen habe man befolgt.
„Doch jetzt, wo Kenia unabhängig ist und Handelspartnerzwischen Mächtigen werden will, sterben Tradition und Dorfgemeinschaft“, sagte er, „wir zerstören uns selbst.“
Die Erzählungen vom Hochland hatte Fenter parat, wie Legenden wurden sie von Eltern an die Kinder weitergegeben, er glaubte sie nicht so recht, eher schienen sie ihm dazu nützlich, die Vergangenheit zu vergolden.
„Das Hochland ist sicher gut und fruchtbar“, sagte er, „aber auch voller Schädlinge. Onchozerkose und Filarienkrankheit plagen die Farmen, und selbst wenn der Bauer verschont bleibt, ist die Arbeit kaum zu bewältigen. Hier sind wir arm, aber sicherer, ich glaube nicht, daß unsere Dorfgemeinschaft stirbt.“
Er wollte aufstehen und gehen, die Angelegenheit schien erledigt.
Doch der Orkoyote wies ihn jäh auf seinen Platz, zischte: „Unsere Krankheiten heißen Industrialisierung und Tourismus,“ und redete schnell und monoton auf Fenter ein, so als ob er eine Broschüre über Ostafrikas Probleme verläse. „Wir holen fremdes Kapital ins Land, aber das Geld dient nicht unserem Aufbau, sondern dem Reichtum der europäischen und amerikanischen Konzerne. Wir rufen Touristen mit viel Devisen an unsere Strände, aber von ihrem Geld müssen Hotels, Schwimmbäder, Flughäfen und Kraftwerke gebaut werden, die ihnen und nicht uns nützen. Uns selbst bleibt so gut wie nichts, kaum ein Fünftel nämlich, wir
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