Kopernikus 7
begreifen, daß der Zauberer ein böses Spiel mit ihm getrieben hatte.
Den fremden Minister töten? Den Mann, der Hilfe und Unterstützung brachte? Dem es darum ging, die schwachen Völker zu stärken? Das konnte das Zeichen nicht sein, das der Rat der Ahnen von dem Orkoyoten erwartete.
Kwa-n-Sana war klug und stark, gewiß, er kannte Vergangenheit und Zukunft und alle geheimen Kräfte des Lebens, konnte Krankheiten erkennen und Mißernten abwenden, es gab nicht viele Zauberer, die sich mit ihm messen konnten – aber er war kein politischer Führer.
„Es ist unser Minister Ettlinger“, sagte Fenter laut, „unser Entwicklungshilfeminister, er verschleudert hier unsere Steuergelder, deshalb bringe ich ihn doch nicht um!“
Aber ich, Or-d-Fente, bin auserwählt, den Speer zu führen, am Spruch der Geister läßt sich nicht rütteln, wehe dem Kikuju, der sich gegen sie stellt!
Die Geister haben mir den bösen Traum geschickt, mich zu prüfen, sie haben verhindert, daß ich an der Versammlung teilnahm, schon heute früh war ich dazu bestimmt, Arm des Speeres zu sein.
Ergeben trottete er ins Dorf zurück, schlich an den Hütten entlang, die meisten Familien schliefen bereits. Schließlich blieb er stehen, seufzte, es gab keinen Ausweg.
Das Haus, vor dem er stand, ragte wie abgestorben in die schwüle Nacht, Mbise hatte hier gewohnt, ein stiller, fleißiger Bauer, verheiratet mit der ehrgeizigen Sarah, gestraft mit drei schnatternden Töchtern, Mbise war sein Freund gewesen.
Auch er hat getan, was er nicht gern tat, dachte Fenter und lugte in den Eingang, abgestandene Luft kroch ihm entgegen. Mbise war in die Stadt gezogen, weil alle ihm eingeredet hatten, er müsse reich werden.
„Mbise ist tot“, sagte Kwa-n-Sana.
Erschrocken sprang Fenter zurück – warum saß der Orkoyote in dem leeren Haus?
„Mbise hat sich selbst getötet.“
„Warum erschreckst du mich, n-Sana?“ fragte Fenter.
„Laß mich allein, bis ich die Kraft gefunden habe, dir zu folgen.“
„Mbise hat sich umgebracht, er wußte keinen Ausweg mehr. Sarah ist ihm fortgerannt, seine Tochter Nadina verkauft ihren Leib an Fremde, die beiden anderen Töchter hungern.“
Der Zauberer sprach mit monotoner Stimme und blickte Fenter nicht an.
„Mbise war dein Freund.“
Fenter schrie: „Ich habe ihm nicht helfen können! Ich habe ihn nicht halten können, als er wegzog! Was ist eine Freundschaft, wenn das Geld sie zerstört?“
Kwa-n-Sana stand neben ihm, flüsterte ihm ins Ohr: „Das Geld kommt von den Fremden!“ und verschwand in der Dunkelheit.
Carolas Stimme schnitt durch die Nacht.
„Or-d-Fente, wo treibst du dich herum?“
Sie schlug den Vorhang zurück, Licht fiel auf die lehmige Straße. Fenter blinzelte, wie aufgereiht wirkten die Häuser links und rechts, uniform und eckig, für einen Augenblick glaubte er, der Himmel über dem Dorf sei aus Holz, und auch der Flur, auf dem er stand.
Als er in die Hütte trat, schliefen die Kinder, stickig war die Luft, der Boden trocken wie krümelnder Polyesterschaum …
Was war das für ein Wort, durchfuhr es Fenter, ich weiß nicht, was Polyesterschaum ist, und doch kenne ich dieses Wort! Er fragte Carola.
Sie lachte. „Natürlich weißt du, was das ist“, sagte sie und nahm das Kopftuch von ihrem schwarzen Kraushaar, „du bist ein Spinner, Or-d-Fente, oder weißt du es wirklich nicht?“ Sie begann, ihre tief dunkle Haut mit einer Ölsalbe einzureiben. „Das sind diese großen weißen Kunststoffplatten, dieses Dämm-Material, denk doch mal nach, als wir die Kaffeemaschine kauften: Die war in Polyester verpackt.“ Der Duft des Öls verbreitete sich wie Weihrauch.
Er starrte sie an und hatte überhaupt nichts verstanden. Wann hatten sie jemals eine Kaffeemaschine gekauft, und was war das? Stellte
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