Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
bei­na­he zu­rück­ge­tor­kelt. Man be­trach­tet ja al­le Din­ge auch zu­gleich mit ei­ner be­stimm­ten Er­war­tungs­hal­tung, und es ist, als hät­te je­mand von au­ßen in den Kopf ein­ge­grif­fen, er­füllt sich die­se nicht. So ging es Kahl und Stro­bel.
     
    Sie stan­den am Ein­gang ei­nes rie­si­gen La­bors. Das La­bor war so groß, wie man es un­ter ei­nem so ver­hält­nis­mä­ßig schma­len Haus wie dem der Fran­zi­us­s­tra­ße 112 nie­mals er­war­ten durf­te. Aber mehr noch als sei­ne Aus­deh­nung war sein In­halt ver­blüf­fend. Schon auf den ers­ten Blick konn­ten die bei­den Po­li­zis­ten an den Wän­den rie­si­ge Brut­kam­mern se­hen, in die von der De­cke Schläu­che, die aus Nähr­tanks lie­fen, hin­gen. Die Kam­mern, in de­nen grün er­leuch­te­te Ne­bel spiel­ten, wa­ren durch­sich­tig und zum Teil of­fen.
    Auf ih­rem Bo­den hin­gen mensch­li­che Ge­stal­ten un­ter­schied­li­cher Grö­ße, in selt­sa­mer Pro­por­ti­on und Ver­zer­rung. Da wuch­sen Zwer­ge und Gno­men, ab­son­der­li­che Ge­stal­ten mit zwei Köp­fen, Krea­tu­ren, die aus Mensch und Tier zu­gleich be­ste­hen muß­ten und von de­nen nie­mand ge­träumt ha­ben wür­de, daß sie le­bens­fä­hig wä­ren. Es war fast, als ob man das in den glä­ser­nen Tanks be­gin­nen­de Le­ben sich re­gen se­hen konn­te. Es war, als hät­te hier ei­ne Mi­schung aus Rep­til und Mensch ge­zün­gelt, und als öff­ne dort ein Wolfs­mann sei­nen Ra­chen.
    De­cke und Wän­de, wo Flüs­sig­kei­ten in ih­ren grü­nen Be­häl­tern schäum­ten, schie­nen in Be­we­gung. Man hat­te den Ein­druck, als set­ze sich in ih­nen ein un­ge­heu­rer Re­gen fort, der von drau­ßen her­ein­ge­fal­len war und dem man nur ei­ni­ge Nähr­stof­fe bei­ge­ge­ben hat­te. Es ver­steht sich, daß das Brum­men, das die bei­den Po­li­zis­ten schon in der Ga­ra­gen­ab­fahrt ver­nom­men hat­ten, aus die­sem Räu­me stamm­te. Es drang her­vor hin­ter ei­ner rie­si­gen me­tal­le­nen Ta­fel, an der un­zäh­li­ge far­bi­ge Lich­ter, Zei­ger und Schal­ter an­ge­bracht wa­ren; von den Zei­gern schwank­ten ei­ni­ge un­ter ih­ren glä­ser­nen Fens­tern, wäh­rend in licht­er­füll­ten Glas­röhr­chen Flüs­sig­kei­ten schäu­mend auf und nie­der stie­gen.
    In der Mit­te des La­bors war ein rie­si­ger lee­rer Kas­ten mit auf­ge­klapp­tem glä­ser­nem De­ckel zu er­ken­nen. Der Kas­ten ruh­te auf vier Bei­nen, und aus sei­ner Kopf­sei­te lie­fen un­zäh­li­ge Dräh­te, die im Bo­den un­ter ei­ner Me­tall­plat­te ver­schwan­den. Ne­ben dem Kas­ten lag ein klei­ner Mann in ei­nem brau­nen, na­del­ge­streif­ten, ver­schlis­se­nen An­zug auf dem Bo­den. Auf sei­nem grau­en Haupt­haar war Blut ge­ron­nen. Sei­ne Au­gen, die zu der Tü­re starr­ten, wa­ren ge­bro­chen. Über ihn beug­te sich ein Mann, der fast zwei Me­ter mes­sen muß­te. Der große Mann schi­en an dem klei­nen Mann zu zer­ren. Mit­un­ter dran­gen aus sei­ner Keh­le un­ar­ti­ku­lier­te Lau­te. Dann hat­te er die bei­den Po­li­zis­ten ge­se­hen.
     
    Sperr­le war ein Po­li­zist, der sei­nen Be­ruf lieb­te. Er war, als er sich zu sei­nem Be­ruf ent­schlos­sen hat­te, von der Über­le­gung aus­ge­gan­gen, daß es reiz­voll sein konn­te, in die Be­weg­grün­de, in die Tie­fen – wie er heut­zu­ta­ge sa­gen wür­de –, in die Ab­grün­de der Men­schen, in das al­so, was sie an­trieb, hin­ab­zu­stei­gen. Es ver­steht sich, und dar­über war er sich im kla­ren, daß sich in die­sem Be­mü­hen, an­de­re Men­schen und ih­re Mo­ti­ve in den kri­mi­nel­len Grenz­fäl­len, worin die Din­ge kul­mi­nier­ten, zu ver­ste­hen, ei­ne ei­ge­ne Un­si­cher­heit ver­ber­gen muß­te, ei­ne Un­ge­wiß­heit über sich sel­ber, die er ab­zu­de­cken such­te, in­dem er sich kri­mi­nal­tech­nisch in an­de­re See­len knie­te.
    Das soll aber nicht be­deu­ten, daß er je­den Tag und je­de Stun­de, daß er je­den Fall, den er be­ar­bei­ten muß­te, lieb­te. Ganz im Ge­gen­teil. Die Si­tua­tio­nen, aus de­nen sich für ihn – in der emo­tio­na­len Tie­fe – et­was her­aus­ho­len ließ, wa­ren sel­ten. Und er hat­te vor sich selbst schon

Weitere Kostenlose Bücher