Kopernikus 7
monoton auf sie tropfte. In einer Ecke, vor dem Gartentor, lag etwas wie eine riesige weiße Plane – es war das Monstrum, das man, nachdem es zerschossen worden war, in die Ecke geschleift hatte.
Das Licht aus den großen Scheinwerfern lag bleich und grell über der Szene. Die Polizeikameras surrten. Man konnte in der Luft noch den Pulverdampf und den Bleigeruch unter dem fallenden Regen spüren. Einige der Männer, denen Sperrle die Hand schüttelte, hatten bleiche, steinerne Gesichter, und es war, als würde man sie nach der Hatz kaum ansprechen können. Sperrle suchte umständlich nach Worten, obwohl er sogleich gesehen hatte, daß das Haus noch nicht gestürmt war. Von unten, aus dem Keller, war noch immer der tiefe, brummende Ton zu hören.
Um vier Uhr dreißig war die Aktion beendet. Die Scheinwerfer waren erloschen. Im Licht des Morgens, der langsam über die Dächer heraufkroch, konnte man die abziehenden Schwaden des Lähmgases sehen. Die riesige Gestalt des Mörders der beiden Polizisten hatte man auf einer Bahre in einen vergitterten Krankenwagen, der sie ins Polizeikrankenhaus transportieren würde, geschoben. Die wütenden Schreie, das Geschimpfe, die Wut der Anwohner, die ihre Steuergelder beklagten, von denen sie nichts hätten, keinen Schutz, keine Ruhe, verstummten. Das Brummen aus dem Keller war, indem man den Strom abgedreht hatte, erstorben. In den Nährtanks waren die restlichen, die von der Kreatur nicht hochgepeitschten Geschöpfe, in sich zusammengesunken, gestorben. Das Labor war versiegelt. Ein Dutzend Polizisten, die vor dem Gebäude Wache hielten, rauchten lustlos ihre Zigaretten, während die Reporter der Lokalpresse sie bestürmten.
Sie hatten sich in der Einschätzung des Lähmgases, vielleicht aber auch mit der Konstitution der Kreatur, die man auf der Pritsche im Polizeiwagen festgebunden hatte, verrechnet. Sperrle, sich Notizen machend und wie abwesend dem Geschwätz der begleitenden Beamten, die noch immer wie mit zugeschnürten Kehlen sprachen und sich Luft machten mit dummen Scherzen, lauschend, ließ plötzlich, als ihn ein kalter Hauch, ein kaltes Gefühl, ein Luftzug, als ob jemand die Frontscheibe des Wagens für Momente geöffnet hätte, den Schreibblock sinken.
Es gab nur eine Richtung, in die er blicken konnte. Die Kreatur hatte die Augen geöffnet. Er sah in ihre gelben, aufglimmenden Augen. Das viereckige Kinn schien zu rucken. Die Wangenknochen krachten. Der Mund war eine aufklaffende, brüllende Höhle. Das Vieh war vom einen zum anderen Augenblick zurück ins Leben gesprungen. Es zerrte an seinen Stricken. Die Lederriemen, in die es gefesselt war, platzten.
Der Boden vibrierte, als es seine Füße auf den Metallkasten stellte. Es waren riesige Hände, die nach Sperrle langten. Notizblock und Schreiber fielen zu Boden. Sperrle, mit herausquellenden Augen, hing an dem inneren Gitter. Glas regnete zu Boden. Das Monstrum hatte nach Sperrle gegriffen. Währenddessen waren vielleicht zwei, drei Sekunden vergangen. Die Beamten, die im vorderen Abteil saßen, waren, weiß in den Gesichtern, herumgefahren.
Würde man die Szene filmisch festgehalten haben, so wäre der Eindruck entstanden, daß das Ungeheuer mitten in der Luft verhalten hatte – gewissermaßen auf halbem Wege zwischen dem Körper Sperrles und denen der übrigen Beamten, gleichsam mit ihnen allen ein Dreieck bildend, in dem es sich entscheiden mußte. Was wußten sie, wie schnell ein solches Ungeheuer lernen konnte? Was wußten sie, welche Programme in seinem Gehirn jetzt abgefahren wurden? Wie konnten sie ahnen, wie es die Vorfälle im Keller, als man es
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