Kopernikus 7
eingeschläfert hatte, verarbeitet haben würde?
Wie auch immer seine Reaktion rettete Sperrle das Leben. Das Ding hatte sich aus diesem Zwischenraum in der Luft gleichsam herausgenommen. Schlug einen Haken. Drehte in der Luft seinen Körper. War ein brüllendes Etwas, das gegen die hintere Tür platzte. Die Bahre, auf der man es in den Wagen getragen hatte, befand sich nun in seinen Händen. Als würde ein Gong geschlagen, hämmerte es mit der Bahre gegen die Tür. Noch bevor der erste Schuß krachte, war es, durch die zersplitternde Tür, inmitten eines Stahl- und Glasregens draußen, stürzte dröhnend auf die Straße, kam ein wenig schief, ein wenig verzerrt, ein wenig quer auf die Beine. Taumelte gegen ein aufdröhnendes Fahrzeug, dessen Fahrer das Steuer herumgerissen hatte. Torkelte gegen einen Alleebaum, riß dessen Zweige herunter. Stürzte eine Böschung hinunter. Und war, während die ersten Schüsse über es hinwegpeitschten, den Augen der Beamten entschwunden.
Es war mit Sperrle fast wie mit einem Verbrecher, den es zum Tatort zurückzieht. Damit wir uns nicht mißverstehen. Es ist klar, daß man die beiden Seiten – diesseits und jenseits des Gesetzes – mitunter austauschen könnte. Was ist Recht, was ist Unrecht in einer Welt der Gewalt und der Stärke? Handelt jemand richtig, wenn er, nur weil er normal ist, andere umstößt? Und was hätte er davon, würde er nicht so handeln? Es ist hier nicht der Ort zu moralisieren.
Gleichwohl ist es nicht verkehrt, Sperrle als jemanden zu sehen, den es magisch ins Labor des Dr. Broadnar zurückzog. Zum einen hatten sich die Schwaden des Lähmgases verzogen und waren auch aus den Holztäfelungen, aus den Armaturen, aus den Zementschichtungen verflogen. Zum andern aber hoffte Sperrle, irgendeinen Hinweis zu finden, der ihm klärte, was hinter den Vorgängen steckte. Was Sperrle als Täter betraf, der zum Tatort zurückkehrt, so war er sich im klaren über die Austauschbarkeit der Rollen im Leben.
Das Labor an diesem frühen Morgen lag kalt und verlassen. Die Polizisten, die Sperrle durchgelassen hatten, hatten die Hände unter den Achselhöhlen vergraben. Sperrle hatte den letzten Beamten an der Eingangstür zum Labor abgeschüttelt, da er allein sein wollte. Ein Notaggregat, den Strom ins Labor liefernd, brannte. Man hatte die Figuren, denen alle Züge von Dr. Broadnar anhafteten, aus den Nährtanks abgezogen. Dennoch schien es Sperrle, als würden aus allen Ecken und Winkeln des Labors Greise und Gnomen, Zwerge und verwurzelte Menschen wachsen.
Ein Pult hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der Deckel war abgeschlossen. Das Pult erweckte nicht den Anschein, als ob die Spurensicherung sich seiner angenommen hätte. Das lag aber auch daran, wie Sperrle nun dachte, daß der Fall ja klar war und man auf die Sicherungsgruppe Bonn, die im Laufe des Tages eintreffen würde, warten wollte, von der das wissenschaftliche Rätsel aufgelöst werden sollte. Aber, meinte er in Gedanken, es gehörte zu seinen Kompetenzen als Kriminaler, auch solchen Spuren nachzugehen.
Da er lange Zeit in der Einbruchsabteilung gearbeitet hatte, war das Pult wenig später geöffnet. Vor Sperrle lag ein Notizbuch, lagen Papiere. Es waren Arbeitsanweisungen, Berechnungen, Formeln, Pläne und Projekte, die Broadnar verfaßt hatte, da er alleine arbeitete, und sein Gedächtnis war nicht das beste – kein Wunder, wenn man den Umfang und den Schwierigkeitsgrad seiner Arbeiten bedachte, murmelte Sperrle in Gedanken.
Er hatte die Papiere überflogen und fand natürlich, da er wußte, wonach er suchte, einen Text auf, der seinen Eindruck von den Ereignissen
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