Kopernikus 7
sie und strahlte aus ihr heraus und flirrte in unbekannten Farben, als es durch ihren klaren Körper drang. Er war nicht ganz sicher, ob sie nicht auch Flügel haben müßte.
Hartes Tageslicht am offenen Ende der Halle. Das nervöse Brummen der Rinder. Ein Geruch von Mist und Schweiß, darunter ein Hauch von altem Blut. Die anderen Männer, die ihn neugierig beobachteten. Sie hatten Masken statt Gesichter und Augen wie Vipern. Viperaugen verfolgten ihn durch die Halle. Hufe scharrten draußen im Kies.
Mit schweren Lidern, zitternd, nahm er seinen Platz ein.
Sie trieben die erste Kuh des Tages herein, direkt auf Mason zu. Er hob den Hammer.
Die Kuh näherte sich ruhig. Gelassen ging sie vor den Treibern her, mit erhobenem Kopf. Sie starrte Mason eindringlich an. Ihre Augen waren groß und tief – heiter, schön und voller Vertrauen.
Lilith, sagte er zu ihr, und dann traf der Hammer sie krachend zwischen die Augen.
Gerd Maximovič Das Spinnenloch
Es ist bekannt, daß das Universum voller Wunder ist. Es liegt auf der Hand, daß ein so großer Raum ein Vielfaches der Formen, Spielarten, Entwicklungsmöglichkeiten des Lebens im Sonnensystem mit sich bringen wird. Trotzdem wäre es töricht, glaubte man, daß bisher jedem Raumfahrer ein solches Wunder begegnet sei. Das liegt aber nicht allein an der Unermeßlichkeit des Raums – in dem sich ja leicht ein Wunder verlieren kann –, sondern auch daran, daß man Wunder nur entdeckt, wenn man auch sehen kann.
Im 23. Jahrhundert war die Technik der Menschheit so weit vervollkommnet, daß ein Flug zu den Sternen – durch den Zwischenraum – fast ein, wenn auch anstrengendes, Vergnügen war, ein zwar strapaziöser Trip, der mitunter Stürme, magnetische Fallen, Untiefen und vielerlei elektromagnetische Erscheinungen bereithielt, der aber gleichwohl schon so perfektioniert worden war, daß man nicht mehr nur im Geleitzug, sondern, wie die Familie Wagenseil, auch schon auf Privatjachten den Zwischenraum durchquerte.
Es ist vielleicht bemerkenswert, daß die seelische Entwicklung der Menschheit mit der ihrer Technik nicht vollständig Schritt gehalten hat. Die Konstruktion überlichtschneller Raumschiffe scheint einfacher als der behutsame Umgang mit anderen Menschen zu sein. Es versteht sich auch, daß, obwohl in der weltweiten Gesellschaft mehr Gleichheit geschaffen worden ist, sich noch viel Verhaltensmaterial aus der alten Gesellschaft in den Herzen und Köpfen der Menschen auffand.
Hätte man die Familie Wagenseil, die auf dem Weg zum Colosom war, unter einem besonders tiefblickenden Elektronenmikroskop seziert, so hätte man in ihrem Normalverhalten allerlei Unzulänglichkeiten, allerlei Spannungszustände, allerlei verdrängte Probleme festgestellt, derer sich nur ein Teil der Familie (und dieser auch nur bis zu einem gewissen Grad) bewußt geworden war – aber wozu auch, so hätten die Wagenseils diesen Gedanken moniert, wird in uns herumgewühlt, wo an den Dingen doch nichts zu ändern ist. Oder aber: Es ist doch entscheidend, daß das, was wir machen, funktioniert.
So richtig dieser Gedanke ist, so sehr bricht sein Boden ein, wenn eine Familie wie die Wagenseils, durch die Umstände bedingt, in eine Situation gerät, in der das alte Verhalten nicht mehr weiterhilft. Dies schien schon am dritten Tag ihrer Reise, als die Urmiel noch sicher durch den blauen, ein wenig von Dunst überwogten Zwischenraum lief, der Fall zu sein. Karin, die ältere Tochter, hatte es zuerst gespürt.
Sie holte schon vom ersten Tag ihrer Reise an ihr Pensum an Mathematik nach, da sie sich sagte, daß es so mit ihren schulischen Leistungen nicht weiterging. Sie saß über ihrem Algebra-Buch und rechnete eine
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