Kopernikus 8
distanziert, kritisch und streitsüchtig. Sie ignorierte ihn, und, was noch schlimmer war, sie ignorierte ihren eigenen Sohn.
Nicht, so dachte er, daß es ihm etwas ausmachte, den größten Teil der Verantwortung für Spatz allein zu tragen. Schließlich war der Junge ja auch sein Sohn. Und er mußte zugeben, daß Spinnes Arbeit schwierig, nervenaufreibend und zeitaufwendig war, daher war sie häufig abwesend und empfindlich. Aber … nun, zum Teufel, man mußte sie nur einmal beobachten. Schließlich fand sie ja auch Zeit für lange Gespräche mit Schwan, und dann widmete sie Häschen Stunden ihrer Zeit, die sie eigentlich für Spatz aufwenden sollte. Coyote war sicher, daß er schon ein eifersüchtiges Funkeln in Spatz’ Augen gesehen hatte, wenn seine Mutter mit Häschen zusammen war. Und sollte eine ausgedehnte Familie nicht gerade das vermeiden … Eifersucht? Wenn die Kulturrevolution einen Makel aufwies, dachte er, dann war es der, daß sie auf Leute von gestern zurückgreifen mußte. Coyote kickte kopfschüttelnd gegen einen Erdklumpen.
Und dann gab es auch noch Wanderer. Hatte Spinnes Beziehung zu ihr nicht den Hauch von etwas Perversem? Nein, nicht wegen des Sex – Coyote war erwachsen, auch er hatte seine homosexuellen Affären gehabt, daran war nichts auszusetzen. Nein, es hatte etwas mit der gefühlsmäßigen Intensität von Spinnes und Wanderers Beziehung zu tun. Ihr Liebesgeturtel hatte etwas Anstößiges, etwas Pubertäres an sich. Ihre Beziehung war zu exklusiv. Er fühlte sich vollkommen aus ihrer beider Leben ausgeschlossen. Und er war sicher, daß die anderen dies ähnlich empfanden. Er war nicht einfach nur eifersüchtig – Götter, es lag schon Monate zurück, seit Spinne und er zum letzten Mal kopuliert hatten, und noch länger war es her, daß sie wirklich Freunde gewesen waren. Es war nicht sein Problem, es war ihres …
Er umrundete die Kuppel weiter und näherte sich dem Garten. Es war schön, die Saat schon so früh sehen zu können. Er selbst hatte den Garten im ersten Herbst angelegt, kurz nachdem Spinne und er hierhergekommen waren, und er hatte das traditionelle flache Gartenmuster verändert, das Schwan jahrelang benutzt hatte. Sein Garten stieg langsam zu einem Hügel über dem umliegenden Rasen an, dessen Form, wie es sich so ergab, an Spinnes linke Brust erinnerte, wenn sie schlief. Aber das hatte er ihr niemals gesagt. Sie hätte ihn wahrscheinlich nur dafür kritisiert, dem einen oder anderen Fruchtbarkeitsgöttinnenmythos nachzuhängen. Wie das Bild auch aussehen mochte, der Garten bildete eine durchdacht angelegte und funktionelle Einheit. Wo der Nippel sein sollte, befand sich ein kleiner Teich, der von der Quelle des Haushalts genährt wurde, die sich nicht weit entfernt bei einer Mühle befand. Das Wasser rieselte durch ein System irdener Röhren, die die Pflanzen bewässerten. Die Pflanzenbeete verliefen spiralförmig vom Teich herab, und sie wurden von mehreren radialen Pfaden unterbrochen, die direkt von der Kuppe herabführten. Coyote erklomm den Hügel, nahm aber den längeren, spiralförmigen Weg nach oben. Als er die letzte Kurve umrundet hatte, sah er Spatz zusammengekauert im Sand der gegenüberliegenden Seite spielen. Er blieb stehen und atmete dreimal tief durch. Erst dann ging er langsam weiter.
War das ein Unkraut? Spatz beugte sich über die Sandwölbung, um das winzige Pflänzchen besser sehen zu können. Die Blätter waren spitzer und hatten mehr Ausbuchtungen als Tomatenblätter. Er griff danach, um es herauszureißen, dann aber hielt er inne und streichelte das winzige Pflänzchen statt dessen. Sogar Löwenzahn war gut im Salat,
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