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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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durchs Zim­mer. Mit der Däm­me­rung hat­te sich die Spit­ze der Kup­pel wie ei­ne Blü­te ge­öff­net, um die Blü­ten­blät­ter der wär­me­n­den Son­ne zu­zu­keh­ren. Der alt­ver­trau­te Zweig rag­te in den für ihn sicht­ba­ren Aus­schnitt des Him­mels hin­ein, die wei­ßen Blü­ten wur­den sanft im Wind ge­wiegt.
    Spatz at­me­te die küh­le Mi­schung ver­schie­de­ner Ge­rü­che ein und seufz­te sie lang­sam wie­der aus. Oben am Him­mel schweb­te ein schwar­zes Fleck­chen im Blau. Er kniff ein Au­ge zu. Was moch­te wohl der Vo­gel dort oben se­hen? Wahr­schein­lich ein schä­bi­ges Ge­strüpp im Ant­litz des Ber­ges, da­zwi­schen Bäch­lein und Zu­fahrts­s­tra­ßen. Und hier, in ei­nem Fleck­chen Son­ne, ei­ne Hand­voll Kup­peln, die wie War­zen aus­schau­ten.
    Spatz ki­cher­te bei dem Ge­dan­ken, ei­ne le­ben­de War­ze zu sein. War die Welt wirk­lich wie ein Ge­sicht, wie das Ge­sicht des Mon­des? Wenn Spin­ne ihn in ih­rem Schoß sit­zen ließ, dann fuhr er ger­ne mit ei­nem Fin­ger über die­se Beu­le un­ter­halb ih­res lin­ken Oh­res, aus der drei wei­ße Här­chen wie die Schnurr­haa­re ei­ner Kat­ze her­vor­spros­sen. Er schüt­tel­te den Kopf, um die­se Er­in­ne­rung ab­zu­schüt­teln. Wenn er an Spin­ne dach­te, dann fühl­te er sich im­mer so ein­sam. Die Welt glich dem Ge­sicht ei­nes Co­yo­ten, aber mit grü­nem Bart, nicht mit ro­tem.
    Er rich­te­te sich zit­ternd auf, und das Lei­nen­tuch rutsch­te von sei­ner brau­nen Brust her­ab. Er strich lan­ge Haar­sträh­nen aus dem Ge­sicht, ließ den Kopf zu­rück­sin­ken und er­starr­te plötz­lich mit­ten im Gäh­nen. Das war ja gar kein Vo­gel dort oben! Der Fleck war zu ei­nem deut­li­chen Ge­gen­stand ge­wor­den, des­sen ova­le, läng­li­che Form er nun deut­lich aus­ma­chen konn­te.
    Spin­ne kam heim!
    Er sprang von der Mat­te und eil­te den lan­gen Flur hin­ab, der sein Zim­mer mit dem Haupt­haus ver­band. Er schwang die Tür bei­sei­te und be­trat den großen, küh­len Raum. Das kit­zeln­de Aro­ma von Jo­han­nis­brot­bäu­men schwän­ger­te die Luft. Bil­der und Dru­cke, ver­trau­te Kis­sen und Re­ga­le vol­ler Bü­cher zier­ten die Haupt­wand der Kup­pel. Der di­cke run­de Tep­pich in der Zim­mer­mit­te war in den Far­ben des Wal­des ge­hal­ten. Al­le Tü­ren, die zu an­de­ren Sei­ten­kup­peln führ­ten, wa­ren mit ver­schie­den­far­bi­gen Stofftü­ren ver­sperrt, auf de­nen die Em­ble­me ih­rer Be­woh­ner prang­ten. Nur drei da­von wur­den von Bor­ten of­fen­ge­hal­ten – Co­yo­tes Land­schaft in schwar­zen Pin­sel­stri­chen, Schwans al­ter psy­che­de­li­scher Druck und Fuch­si­as brau­ner Filz­tep­pich. Die an­de­ren schlie­fen wahr­schein­lich noch. Fuch­sia stand im­mer als ers­ter auf – er ging hoch zur Töp­fe­rei –, aber Co­yo­te und Schwan …
    Spatz um­kreis­te den Raum auf dem Weg zum Kü­chenal­ko­ven, wo­bei er den län­ge­ren Weg in Kauf nahm, um noch auf die Toi­let­te ge­hen zu kön­nen. Sein dün­ner gel­ber Strahl fiel in die Dun­kel­heit des Kom­pos­ters. Er ver­gaß nicht, den De­ckel zu­zu­ma­chen und flüch­tig die Hän­de im Was­ser­strahl zu wa­schen, wor­auf er sie auf dem Weg zur Kü­che tro­cken­schüt­tel­te.
    Er schlich die letz­ten Schrit­te und späh­te vor­sich­tig um den Ka­min her­um. Schwan kau­er­te am Kü­chen­tisch, trank Jo­han­nis­brot­si­rup und las in ei­nem Buch, wäh­rend Co­yo­te am Gar­ten­ver­schlag kau­er­te und das Früh­stück schäl­te. Er sah auf, er­kann­te Spatz und wink­te.
    Spatz ging hin­über und ließ sich auf ei­nem Kis­sen an dem nie­de­ren Tisch nie­der. Schwan, die ein grü­nes Kleid trug, mur­mel­te et­was, und die ver­äs­tel­ten Fal­ten ih­res Ge­sichts ver­zo­gen sich zu ei­nem Lä­cheln. Spatz lä­chel­te zu­rück, be­hielt sein Ge­heim­nis aber für sich, und schenk­te sich ein Glas Oran­gen­saft ein, oh­ne viel zu ver­schüt­ten. Er preß­te den küh­len Rand des Kru­ges an die Lip­pen. Sü­ßer Saft.
    Co­yo­te stell­te einen Korb Früch­te auf den Tisch und nahm ge­gen­über von Spatz Platz. Sei­ne Lip­pen be­weg­ten sich hin­ter dem bu­schi­gen ro­ten Schnurr­bart: „Was gibt’s

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