Kopernikus 8
Unfall war – im glücklichen oder im unglücklichen Sinne. Wäre es anders gekommen, dann wäre er nicht geboren worden. Der Gedanke an seine Nichtexistenz – kein Malen, keine Freunde, kein Gelächter, keine Hoffnung, keine Liebe – entsetzt ihn. Seine Mutter – im Suff häufig außerstande, auf empfängnisverhütende Mittel zurückzugreifen – hatte viele Abtreibungen, und er hätte eine davon sein können.
Während er Benedictine nachsieht, wie sie davontorkelt (ungeachtet ihrer zerrissenen Kleider), fragt er sich, was er eigentlich in ihr gesehen hat. Ein Leben mit ihr, auch mit Kind, wäre alles andere als angenehm geworden.
Im von Hoffnungsnesten durchzogenen Munde
Fliegt die Liebe erneut und läßt sich nieder,
Gurrt, blitzt mit gefiederter Glorie, plustert sich auf
Und fliegt dann scheißend davon,
Wie es bei den Vögeln üblich ist,
Um dem Start mehr Rückstoß zu verleihen.
Omar Runic
Chib geht nach Hause, kann aber immer noch nicht in sein Zimmer gehen. Er geht ins Vorratszimmer. Das Bild dort ist zu sieben Achteln fertig, wurde aber nicht ganz beendet, weil er unzufrieden damit ist. Nun nimmt er es und transportiert es zu Runics Haus, das sich im gleichen Stock befindet. Runic ist im Zentrum, er läßt allerdings immer alle Türen offen, wenn er nicht zu Hause ist. Er verfügt über die Ausrüstung, mit der Chib sein Bild vollenden kann, wobei er mit einer Effizienz arbeitet, die ihm anfangs bei diesem Bild fehlte. Dann verläßt er Runics Haus, wobei er die riesige Leinwand über sich hält. Er geht an den Fußwegen und den gewundenen Streben mit den Ovalen am Ende vorbei. Er durchstreift mehrere Grünanlagen mit Bäumen, geht an weiteren Häusern vorbei und nähert sich nach zehn Minuten dem Herzen von Beverly Hills. Hier sieht der merkurische Chib
DREI BLEIERNE DAMEN IM GÜLDENEN
NACHMITTAGE
die in einem Kanu auf dem Lake Issus rudern. Maryam bint Jussuf, ihre Mutter und ihre Tante halten lustlos Angelgerten, während sie zu den grellen Farben, der Musik und der vor dem Folklorezentrum versammelten Menge hinübersehen. Inzwischen haben die Polizisten die Jugendbanden entfernt und stehen herum, um sicherzustellen, daß keiner mehr Arger macht.
Alle drei Frauen sind in die feierlichen, den ganzen Körper bedeckenden Kleider der mohammedanischen Wahhabi-Fundamentalistensekte gekleidet. Sie tragen allerdings keine Schleier, nicht einmal mehr die Wahhabi bestehen heute noch darauf. Ihre ägyptischen Schwestern am Ufer dagegen sind in moderne Gewänder gehüllt, beschämend und sündig. Trotzdem starren sie sie an.
Ihre Männer stehen an den Ausläufern der Menge. Sie sind wie die Scheichs der Fremdenlegion mit Bärten versehen und kostümiert, und sie zischen Verwünschungen und gurgelnde Proteste angesichts der würdelosen Zurschaustellung von Menschenfleisch. Doch auch sie starren gefesselt hin.
Diese kleine Gruppe wurde in den zoologischen Reservaten von Abbessinien gefaßt, wo man sie beim Zertrampeln von Blumen ertappte. Ihr Gummint ließ ihnen die Wahl zwischen drei Möglichkeiten: Gefangenschaft in einem Rehabilitationszentrum, wo man sie so lange behalten würde, bis anständige Bürger aus ihnen geworden wären, und, sollte es ihr ganzes Leben dauern, Emigration zur Megalopolis von Haifa, Israel. Oder Emigration nach Beverly Hills, LA.
Nun, unter den verfluchten Juden Israels ein karges Dasein fristen? Sie spien aus und entschieden sich für Beverly Hills. Und doch, Allah hatte ihrer gespottet! Nun waren sie umgeben von Finkelsteins, Applebaums, Siegels, Weintraubs und anderen nichtswürdigen
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