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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Stimmen bestimmen. Als sie schneller fuhr, strich ihr der Wind übers Gesicht und durchs Haar, und obwohl sie so müde war, lachte sie und trat noch etwas schneller in die Pedale.
    Häschen war glücklich in ihrem Korb. Sie strampelte mit den Beinen und bewegte die Hände wie in einem selbstvergessenen Tanz, während sie mit leiser Stimme vor sich hin sang. Spinne fuhr einen kleinen Hügel hoch und auf der anderen Seite wieder hinab, wobei sie die Haltegriffe losließ und die Arme wie Schwingen ausbreitete. Sie sang einige Strophen aus einem alten, traurigen Lied, das Schwan gerne auf der Gitarre spielte. I wish I had a river soooo long, I would spread my wings and fly-yyy …
    Am Fuß des Hügels gabelte sich der Weg bei einer großen Fichte, die jeder Douglas nannte, die älteste im Wald. Ein Weg führte zum Gemeinschaftszentrum, wo Schwan und Coyote und Rose zeitweise arbeiteten, um das Gemeinschaftsquantum ihres Haushalts zu erfüllen. Spinne wählte den anderen Weg, die Ringstraße, die zu jedem anderen Haushalt in diesem Teil des Tales führte. Von hier aus hatte sie noch fünfzehn Minuten bis zu Wanderers Farm zu fahren.
    Alles in allem umfaßte das Dorf Noti siebenundvierzig Haushalte, von denen manche bis zu dreißig Leute umfaßten, aber es gab auch Dreiergruppen, Paare und Einsiedler. Ihre Häuser waren über sechs Hektar des Tales verteilt und durch Wälder und Felder getrennt, nur verbunden durch die Fahrradwege und die lose kooperative Anarchie, mit der sie Gemeinschaftsangelegenheiten regelten. Noti war eine der ersten Geisterstädte gewesen, die mit dem Verschwinden der Städte während der techno-kulturellen Revolution neu besiedelt worden waren, und obwohl von Zeit zu Zeit einzelne Individuen unfähig gewesen waren, die Revolution in ihrem eigenen Leben zu manifestieren, funktionierte die Gemeinschaft doch schon seit nahezu einem Jahrzehnt erfolgreich.
    Jeder Haushalt war autark, was das Lebensnotwendigste anbelangte – Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf und Gesundheit –, aber große Menschengruppen können eben mitunter Dinge vollbringen, die kleineren unmöglich sind oder ihnen zumindest schwerfallen. Die Nachbarn in Noti kamen zusammen zum Kuppelbau, Ernten, Pflastern von Wegen und Ausheben von Brunnen, zum kollektiven Weiterverkauf von Rohstoffen, zum Singen und Theaterspielen. Während die Mehrheit sich ihren Lebensunterhalt durch Haushaltsarbeit und den Verkauf überschüssiger Güter an andere Dörfer verdienten, gab es auch einige wenige, so wie Spinne, die außerhalb arbeiteten.
    Spinne war Programmiererin beim Globalen Hilfswerk, einem internationalen Regierungskonsortium, das Nahrungsverteilungssysteme und landwirtschaftliche Wiedernutzbarmachung für jene Gegenden plante, die von den Dürreperioden um die Jahrhundertwende besonders stark betroffen worden waren. Spinne arbeitete zur Zeit am ‚Mittelwestamerikanischen Projekt zur Urbarmachung von Wüstengebieten’. Sie hatte eine Fernkonsole zu Hause, mit der sie den Großteil der anfallenden Arbeit erledigte. Die einzige physische Manifestation des Konsortiums war die jährliche Konferenz.
    Während Spinne mit dem Fahrrad immer weiterfuhr, ließ sie den Wald schließlich hinter sich und radelte durch Getreidefelder, die Wanderers Heimat umgaben. Sie passierte einige alte Fachwerkhäuser, Relikte aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert, die nun unbewohnbar waren und langsam verfielen. Sie wich einer Fußgängergruppe aus, winkte ihnen zu und bremste schließlich vor dem Hauptgebäude der Farm, einem großen, viereckigen Bauwerk, das aus grobbearbeitetem Zedernholz erbaut war. Sie stellte das Fahrrad neben den anderen ab und nahm Häschen auf die Arme, um mit ihr unter dem rebenumrankten Portal hindurch in die Küche zu gehen. Einige Menschen saßen um den Tisch und unterhielten sich. Ein paar sahen auf und winkten.
    „Hallo“, sagte Spinne und setzte Häschen auf den Boden, wo das Mädchen rasch zu den anderen Kindern krabbelte. „Hallo, Wanderer.“ Sie umarmte ihre Freundin. Wanderers Bauch war groß und warm zwischen ihnen.
    „Hallo, Liebes, ich bin froh, daß du es geschafft hast.“ Wanderer strich mit den Fingern über Spinnes Augen, ihre Wangen, über die breiten, flachen Nasenflügel und über ihren Mund. Sie küßten sich, Zunge liebkoste Zunge, und trennten sich wieder voneinander. „Bevor ich das Schiff heute morgen kommen hörte, hatte ich mich schon fast damit abgefunden, noch einen Tag länger zu

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