Kopernikus 8
werden.“
Spinne rupfte einige Grashalme aus und warf sie in den Wind. Wieder empfand sie die entsetzliche Müdigkeit und Schwäche. „Aber es ist doch nicht so, daß ich dich nur für mich alleine haben wollte“, sagte sie und hörte ihre Stimme zittern. „Ich möchte auch einen großen Haushalt, ganz bestimmt. Ich möchte eben einfach, daß es sich nur um Frauen handelt …“
Plötzlich hinterließ Wanderers Fingerspitze auf ihrer Wange eine feuchte Spur. „Oh, Spinne, Spinne … Schau, was ist, wenn mein Kind ein Junge wird? Würdest du dann nicht mit ihm zusammenleben wollen? Spinne – Liebes –, meine Bindung ist einfach stärker als das. Ich gehöre hierher. Daher wollte ich dieses Kind haben. Ich habe ein Zuhause. Das brauche ich.“
Spinne rückte ein wenig ab. „Es ist also endgültig.“
„Endgültig! Spinne, ich bin hier zu Hause.“
Sie spürte, wie die Muskeln ihres Kinns sich nach unten und die ihrer Augen sich zurückzogen. Sie wischte mit dem Handrücken über ihre Wangen und schluckte. „Verdammt noch mal!“ Ihre Finger berührten das kühle Gras. „Wenn ich dich nur ein paar Jahre früher gefunden hätte. Wenn du nur nicht schwanger wärst …“
Wanderer zog die Brauen zusammen. Sie schüttelte den Kopf. „Spinne, du solltest dich mal selbst hören! Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie du reagieren würdest, wenn jeder Mann sich so aufführen würde wie du? Komm jetzt. Sei heute meine Schwester. Ich möchte, daß du bei mir bist.“
Spinne schluchzte so sehr, daß ihre Kehle schmerzte, zog Wanderer an ihre Brust und hielt sie eng an sich gepreßt.
„He!“ rief Coyote. „Ich bin für Duschen. Wer geht mit?“
„Ich“, antwortete der tonverschmierte Fuchsia.
„Klar“, sagte Schwan, die staubig zur Tür hereinkam.
Spatz nahm Coyotes Hand und führte die Gruppe an.
Das Wasser fiel in schweren Tropfen, wie blaues Licht, von oben herab. Coyote, Fuchsia, Spatz und Schwan tanzten im häuslichen Regen umher, rubbelten einander mit Bürsten ab und schüttelten ihr nasses Haar.
„Wer schrubbt mir den Rücken?“ fragte Fuchsia.
„Ich“, antworteten Schwan und Coyote gleichzeitig. Sie lachten und schrubbten beide.
„Ahh“, stöhnte Fuchsia, „ihr geht aber herzhaft ran.“
Spatz machte sie händeschüttelnd auf sich aufmerksam. Fuchsia pinkelt in die Dusche!
„Hä?“ sagte Fuchsia und sah blinzelnd an sich hinab.
Coyote lachte und tippte Spatz auf die Schulter. „Du mußt genauer hinsehen“, sagte er. „Das ist doch nur Wasser, das heruntertröpfelt.“
Spatz sah ihn verwirrt an.
„Schau mich an! Schau dich an!“
Spatz spähte an seinem Bauch hinab, dann kicherte er entzückt. Das Wasser lief an seiner braunen Haut hinab, umkreiste den Nabel und tröpfelte in einem Bogen von seinem Penis herunter auf den Kachelfußboden.
Schwan beugte sich hinab und massierte Shampoo in Spatz’ verfilztes Haar. „Berufsrisiko“, sagte sie. Ihr Körper war, ebenso wie ihr Gesicht, mit Runzeln überzogen. Ihre Brüste hingen schlaff herab und wogten in der Nässe.
Ich habe dieses Wort nicht gesehen, signalisierte Spatz.
„Berufsrisiko“, buchstabierte Schwan. „Ein alter Ausdruck, der bedeutet, daß einem, nun, eben gewisse Dinge infolge des eigenen Berufs zustoßen können.“
Was für Dinge?
Schwan räusperte sich und runzelte die Stirn. Fuchsia kniete neben ihr nieder und kitzelte Spatz am Nabel, was mit einem Kichern belohnt wurde. „Beispielsweise“, sagte er, „bist du mit Knien auf die Welt gekommen. Wenn du nun auf etwas Hartes oder Grobes fällst, stößt du sie dir auf. Das ist das Berufsrisiko, Knie zu haben.“
Schwan schüttelte den Kopf. „Das ist das Berufsrisiko herumzulaufen.“
Auch Coyote kauerte sich nieder. „Und wir“, sagte er, „haben
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