Kopernikus 8
los!“ stöhnt er mit Moses, und da er dabei an lange Bärte und Hörner (unter Berufung auf Michelangelo) denkt, denkt er auch an seinen Ururgroßvater.
Der Wille, ein Stemmeisen, zwingt seine Lider, sich zu öffnen. Er sieht das Fido, das die gegenüberliegende Wand bespannt und sich halb über die Decke krümmt. Die Dämmerung, der Paladin der Sonne, wirft ihren grauen Handschuh herab.
Kanal 69 B, IHR LIEBLINGSKANAL, nur in LA, bringt Ihnen die Dämmerung. (Täuschung mit Tiefenwirkung. Die falsche Dämmerung der Natur, beschattet mit Elektronen, die von Maschinen geformt sind, die von Menschen geformt sind.)
Erwache mit Sonne im Herzen und einem Lied auf den Lippen! Trällert zu den packenden Versen von Omar Runic! Seht die Dämmerung als Vögel in den Bäumen, als Gott, aber seht sie!
Voxpopper singt die Verse leise, während Griegs Anitra gemächlich plätschert. Der alte Norweger hätte nie von einem derartigen Publikum geträumt. Ein junger Mann, Chibiabos Elgreco Winnegan, hat einen feuchten Pimmel, Grund dafür ist ein letzter Ölschwall auf den Ölfeldern des Unterbewußtseins.
„Beweg den Arsch, auf die Beine“, sagt Chib. „Heute läuft Pegasus.“
Er denkt, spricht und lebt in der Gegenwart.
Chib steigt aus dem Bett und schiebt es in die Wand. Das Bett einfach im Raum stehen lassen, würde die Ästhetik des Zimmers zerschmettern und die Krümmung stören, die eine Reflexion des Basisuniversums ist. Zudem würde es ihn bei der Arbeit hindern.
Das Zimmer ist ein großes Oval, in der Ecke befindet sich ein kleineres Oval, Toilette und Dusche. Er kommt daraus hervor wie einer von Homers göttergleichen Achäern, stramme Schenkel, kräftige Arme, goldbraune Haut, blaue Augen, kastanienrotes Haar – wenngleich bartlos. Das Telefon imitiert das Quaken eines südamerikanischen Baumfrosches, das er einmal über Kanal 122 gehört hat.
„Sesam, öffne dich!“
INTER CAECOS REGNAT LUSCUS
Das Gesicht von Rex Luscus erfüllt das Fido, die Poren des Gesichts wie die Kraterlandschaft eines Schlachtfeldes aus dem Ersten Weltkrieg. Er trägt eine schwarze Augenklappe über dem linken Auge, das man ihm während eines Handgemenges zwischen Kritikern während der Ich-liebe-Rembrandt-Fortbildungsserie auf Kanal 109 ausgeschlagen hat. Er hat genügend Macht, um eine Transplantation zu beantragen, verzichtet aber darauf.
„Inter caecos regnat luscus“, sagt er immer, wenn er danach gefragt wird, und wenn er nicht gefragt wird auch oft genug. „Übersetzung: Unter Blinden ist der Einäugige König. Darum habe ich mich in Rex Luscus umtaufen lassen. Das bedeutet König Einauge.“
Es geht das Gerücht, von Luscus selbst mit verbreitet, daß er den Bioburschen erlauben wird, ein künstliches Proteinauge einzusetzen, wenn er das Bildnis eines Künstlers schauen kann, das großartig genug ist, um den Blick zweier Augen zu rechtfertigen. Es geht weiterhin das Gerücht, daß dies schon bald geschehen kann, und zwar wegen seiner Entdeckung von Chibiabos Elgreco Winnegan.
Luscus betrachtet hungrig (er flucht adverbial) Chibs Lustpfropf und die darum liegenden Regionen. Chib schwillt an, aber nicht mit den Schwellkörpern, sondern vor Zorn.
„Süßer“, sagt Luscus flötend, „ich wollte mich nur vergewissern, ob du schon aufgestanden bist und dich an die immens wichtige Arbeit des Tages gemacht hast. Du mußt bis zur Ausstellung fertig sein, du mußt! Aber nun, da ich dich sehe, fällt mir ein, daß ich noch nichts gegessen habe. Wie wär’s mit einem Frühstück mit mir?“
„Was essen wir denn?“ sagt Chib. Er wartet aber nicht auf die Antwort. „Nein, ich habe heute zuviel zu tun. Sesam, schließe dich!“
Das ziegenähnliche Gesicht von Rex Luscus
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