Kopernikus 8
allein wegen einer neuen Technik Aufsehen erregt hat, die jeder Elektronikspezialist hätte erfinden können. Ich bin betroffen darüber, daß eine so billige Neuheit, ein Taschenspielertrick, nicht nur weite Kreise der Öffentlichkeit, sondern auch so gutausgebildete und anerkannte Kritiker wie Dr. Luscus hier narren kann … obwohl es natürlich immer wieder Künstleresel geben wird, die so lauthals, pompös und verschwommen plärren, daß …“
„Ist es denn nicht so“, unterbricht ihn der Fidomann, „daß viele Maler, die wir heute zu den größten rechnen, beispielsweise Van Gogh, von ihren zeitgenössischen Kritikern verurteilt oder völlig mißachtet worden sind? Und …“
Der Fidomann, der darauf spezialisiert ist, um seiner Zuschauer willen Zorn zu erzeugen, verstummt. Ruskinson bläht sich auf, sein Kopf erinnert an ein kurz vor dem Aufplatzen stehendes Blutgefäß.
„Ich bin kein biederer Angestellter!“ schreit er. „Und ich kann nichts dafür, daß es auch schon in der Vergangenheit solche Luscusse gegeben hat! Ich weiß, wovon ich spreche! Winnegan ist nur ein Mikrometeorit am Himmel der Kunst, der es eigentlich nicht wert ist, den Großen der Malerei auch nur die Schuhe zu polieren. Sein Ruf wurde von einer gewissen Clique künstlich aufgebläht, so daß er nun in reflektiertem Glanz erstrahlt, die Hyäne, die die Hand beißt, welche sie füttert, kleine Hunde …“
„Bringen Sie Ihre Metaphern nun nicht ein wenig durcheinander?“ fragt der Fidomann.
Luscus nimmt Chib sanft bei der Hand und zieht ihn beiseite, wo sie außerhalb der Reichweite der Fidokameras sind.
„Liebling, Chib“, flötet er, „nun ist die Zeit gekommen, dich zu artikulieren. Du weißt, wie sehr ich dich liebe, nicht nur als Künstler, sondern um deiner selbst willen. Es muß dir doch mittlerweile unmöglich geworden sein, die tiefen Sympathievibrationen weiterhin zu mißachten, die sich ungehindert zwischen uns ausbreiten. Großer Gott, wenn du doch nur wüßtest, wie ich von dir geträumt habe, mein glorreicher, gottgleicher Chib …“
„Wenn Sie meinen, daß ich nun ja sage, weil Sie die Macht haben, meinen Ruf aufzubauen oder zu zerstören und mir die Unterstützung zu verweigern, dann haben Sie sich getäuscht“, sagt Chib. Er entzieht ihm die Hand.
Luscus’ sehendes Auge starrt ihn an. „Findest du mich denn unattraktiv?“ sagt er fassungslos. „Gewiß nicht aus moralischen Gründen …“
„Es geht ums Prinzip“, sagt Chib. „Selbst wenn ich Sie lieben würde, was nicht der Fall ist, würde ich es nicht zulassen, daß Sie mit mir ins Bett steigen. Ich möchte einzig aufgrund meines künstlerischen Stellenwertes beurteilt werden. Und da wir gerade dabei sind – das Urteil anderer ist mir völlig egal. Ich möchte weder von Ihnen noch von sonstwem Lobhudeleien oder Verwünschungen anhören. Schaut euch meine Bilder an und unterhaltet euch miteinander, ihr Schakale. Aber erwartet nicht, daß ich den Bildern zustimme, die ihr euch von mir macht.“
NUR EIN TOTER KRITIKER
IST EIN GUTER KRITIKER
Omar Runic hat seine Bühne verlassen und steht nun vor Chibs Bildern. Er legt eine Hand auf seine entblößte linke Brust, auf die ein Bild Herman Melvilles tätowiert ist. Den Ehrenplatz auf der rechten Brust nimmt Homer ein. Er brüllt laut, seine schwarzen Augen erinnern an Ofentüren, die von einer Ex plosion aufgerissen wurden. Wie schon oft zuvor, überkommt ihn beim Anblick von Chibs Bildern eine Inspiration.
„Nennt mich Ahab, nicht Ismael.
Denn ich habe den Leviathan gefangen.
Ich bin das Füllen des wilden Esels, den Menschen geboren.
Ho! Meine Augen haben alles geschaut!
Mein Busen gleicht einem Weinfaß ohne Spundloch.
Ich bin ein
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