Kopf hoch, Freddie
einen Ausritt.
»Natürlich hole ich Sie ab, Freddie, und natürlich werden Sie nicht mit Angela und Stephen fahren«, kündigte Maurice einige Stunden später großartig übers Telefon an. »Pat hat einen Tänzer aufgetrieben und wird mit ihm hinten sitzen, so daß für eine Anstandsbegleitung gesorgt ist und Angela beruhigt sein kann.«
Angela lachte über die Vorstellung einer Anstandsbegleitung in diesem aufgeklärten Zeitalter, und als sie und Stephen am nächsten Abend hinter dem schönen Wagen von Maurice dreinfuhren, sagte sie: »Das macht ordentlich Spaß, und ich bekomme das Gefühl, richtig verheiratet zu sein. Eine Wagenladung junger Leute vor uns, und das alte Ehepaar folgt gesetzt nach.«
»Du siehst aus, als wärst du die jüngste von allen und vor allem die netteste«, erwiderte Stephen.
Ihr Ziel war ein einfacher kleiner Saal, der so gut erreichbar an einer Straßenkreuzung lag, daß er mehreren Bezirken als gesellschaftlicher Treffpunkt diente. »Hier wirst du nächste Woche die Musik über dich ergehen lassen müssen, du kannst dich also gleich an die Situation gewöhnen«, murmelte Stephen, als sie den kleinen Vorraum betraten, wo ein Mann hinter einem Fensterchen Stephens Geld in Empfang nahm, ihn wärmstens begrüßte und sodann seiner jungen Frau vorgestellt wurde. Zu Angelas Schrecken lag die Garderobe am anderen Ende des Saales, so daß sie von zahlreichen Gästen gesehen wurde, als sie quer durch den Raum ging. Die Menschen lächelten ihr freundlich zu, doch eine alte Dame, deren Schwerhörigkeit ihrer Familie große Verlegenheit bereitete, sagte mit Entschiedenheit: »Nettes kleines Ding — aber sie hat ihren Einstand noch nicht gefeiert« — und auf einmal wollte Angela nichts als rasch nach Hause laufen.
Freddie und Pat Gresham erwarteten sie in der Garderobe, und nun gingen sie gemeinsam in den Saal, wo sie ihre männliche Begleitung tanzbereit vorfanden. Angela ließ sich dankbar überzeugen, daß Freddies Auftritt mit Maurice ihr gewagtes Eindringen als offiziell noch nicht vorgestellte junge Frau vergessen lassen würde. Während sie gesetzt mit Stephen tanzte, sah sie, daß die beiden anderen ein sehr hübsches Paar abgaben. Jeder Schritt und jede Bewegung waren aufeinander abgestimmt. Sie tanzten, als fänden sie es ungeheuer lustig, und ließen zum Vergnügen der Zuschauer den feierlichen Ernst anderer ganz vermissen.
Und sie tanzten kaum mit anderen Partnern. Trotz entschlossener Abwerbungsversuche behauptete Maurice sich, und wenn auch einige Mädchen der »Neuen« säuerliche Blicke zuwarfen, weil diese sich die Aufmerksamkeit des begehrtesten jungen Mannes gesichert hatte, so lautete doch das allgemeine Urteil: »Diesmal hat er jemand getroffen, der ihm gewachsen ist, und das geschieht ihm recht.«
Angela unterhielt sich mit vielen und begann sich bald zu Hause zu fühlen, wenn auch der Gedanke an das Büfett und ihren zweifelhaften Kuchen unbehaglich im Hintergrund ihres Bewußtseins lauerte. Freddie hatte natürlich die ganze Geschichte fröhlich ihrem Partner anvertraut, der versprochen hatte, sie zu unterstützen, und jeden daran hindern wollte, der Mitte des Kuchens zu Leibe zu rücken.
»Kein Mensch wird von dem Kuchen essen«, sagte Angela zu Stephen. »Es ist so demütigend, wenn man seinen Beitrag wieder nach Hause nehmen muß.«
Ihr Stolz wurde jedoch nicht verletzt. Sie hatte den Kuchen vorsichtig in Stücke geschnitten und die Mitte unangetastet gelassen und konnte nun befriedigt feststellen, daß das meiste verschwunden war. Sie tauschte mit Freddie Blicke größter Erleichterung und ließ unklugerweise in ihrer Wachsamkeit nach.
Im nächsten Moment hörte sie eine herzhaft laute Stimme sagen: »Möchte wissen, wer den Schokoladekuchen fabriziert hat. Schmeckt verdammt gut! Ich habe ein Stück genommen und möchte noch eines. Ich frage mich nur, warum niemand die Mitte angeschnitten hat.«
Angela wollte zunächst wie wild losstürzen, sah dann aber betont gleichgültig in die andere Richtung. Freddie blickte sich nach Maurice um, der einen Augenblick von ihrer Seite gewichen war und sich beim Eingang mit einem Mann unterhielt. Wie hatte er sie in der Stunde der Not verlassen können? »Nein, nein«, wollte sie sagen, tat unwillkürlich einen Schritt nach vorne, hielt aber dann inne. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als dem Unvermeidlichen seinen Lauf zu lassen und sich völlig unbeteiligt zu geben. Vielleicht würde der verdammte Kerl seine Gier
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