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Kopf Unter Wasser

Kopf Unter Wasser

Titel: Kopf Unter Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Kubiczek
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Glas Weißwein und ging auf die Terrasse, um zu rauchen, während sich die Gäste über Meeresfrüchterisotto und Fleischragout hermachten. Dazu gab es Weißbrot, verschiedene Käse, Parmaschinken, luftgetrocknete Salami.
    Henry sah durch die Terrassentür Birte Wein nachschenken. Als hätte sie seinen Blick gespürt, drehte sie sich um und hielt die Flasche fragend in die Höhe: ob er noch etwas Wein wolle. Henry nickte. Sie kam nach draußen, und er hielt ihr die Zigarettenschachtel hin.
    Sie bedankte sich und stellte die Flasche auf der Terrassenbrüstung ab.
    Er gab ihr Feuer, sie nahm zwei tiefe Züge hintereinander: »Das ist nett von Ihnen.«
    Â»Vielleicht sollten wir uns duzen«, sagte Henry. »Wir werden dank Dr. Kammstetter die nächsten Tage miteinander verbringen. – Was meinen Sie?«
    Â»Von mir aus gerne.«
    Â»Sie kennen ja meinen Namen vom Veranstaltungsplan.«
    Â»Und Sie müssten meinen auch kennen, wenn Sie vorhin richtig zugehört haben.«
    Â»Birte«, sagte Henry und hob sein Glas, »nach Ihrer Großmutter.«
    Â»Henry«, sagte Birte und sah ihm in die Augen, wobei ihr Gesicht seinem bedrohlich nahe kam, und ehe Henry sich abwenden konnten, fühlte er Birtes Lippen. Sie schmeckten nach Zigarette und ein wenig süßlich, vermutlich nach Lippenstift.
    Die Berührung ihrer geschlossenen Lippen dauerte: eins … zwei … drei Sekunden, Henry zählte genau mit, bei vier zog er den Kopf zurück.
    Â»Ich muss wieder rein«, sagte Birte, »wenn du willst, gehen wir später noch was trinken. – Wenn ich fertig bin.«
    Â»Ich bin hundemüde«, sagte Henry. »Am liebsten würde ich sofort ins Hotel zurück und schlafen.«
    Â»Und wie wär’s mit der Hotelbar? Wenn du schlafen willst, gehst du einfach auf dein Zimmer, und ich fahre nach Hause. Wir müssen sowieso noch den Plan für die Woche besprechen, deine Veranstaltungen.«
    Â»Okay«, sagte Henry.
    Um halb elf verabschiedeten sich Dr. Kammstetter und seine Gattin von Henry, formvollendet und umständlich, um elf verließen die letzten Gäste das Institut, und eine weitere halbe Stunde später löschte Birte das Licht und schloss die Tür zur Straße ab, ohne sich um das Chaos aus Flaschen, Geschirr und Essensresten zu kümmern.
    Sie hatte eine Jeansjacke über das Polokleid gezogen, und statt des Strohhutes trug sie einen schwarzen Motorradhelm. Birte ließ den Roller an und sagte zu Henry, er solle sich an ihr festhalten.
    Die Bar befand sich in einem Flachbau gegenüber dem Hotel, und während Birte hineinmarschierte, nahm sie den Helm ab, sie grüßte den Kellner, als sei sie schon oft hier gewesen.
    Henry folgte ihr zu einem Platz am Panoramafenster, durch das man auf die nächtliche Stadt blicken konnte. Sie saßen einander gegenüber, tranken Gin Tonic, das Licht war gedämpft, im Hintergrund lief Jazz. Henry rauchte, trank und sah Birte an, die einen Zettel hervorgekramt hatte und ihm mit leiser, ein wenig heiserer Stimme die Termine der nächsten Tage erklärte. Er lauschte den Geräuschen, die ihre langsamen Bewegungen verursachten, dem Rascheln des Papiers zwischen ihren Fingern, dem Knistern einer angezündeten Zigarette, dem Klirren der Eiswürfel im Glas. Irgendwann hörte Birte auf zu sprechen und sah ihn an. Ihr Glas war leer, und Henry gab dem Kellner ein Zeichen, noch mal dasselbe zu bringen.
    Zum Abschied vor dem Hoteleingang legte Henry seine Arme um Birtes Taille. Sie zog ihn aus dem Licht, das aus dem Foyer auf die Straße fiel, ins Dunkle, und sie drückte ihre Lippen auf seinen Mund. Diesmal zählte er die Sekunden nicht. Als er ihr irgendwann übers Haar streicheln wollte, fühlte er das glatte Duroplast des Motorradhelmes unter den Fingern, den sie auf dem Weg aus der Bar wieder aufgesetzt hatte.

8.
    Birte und Cynthia kannten sich seit ihrer Kindheit in dem Hamburger Vorort. Sie waren gemeinsam Pony geritten, hatten Musikunterricht bei Birtes Mutter genommen und schließlich zusammen das Abitur bestanden, Cynthia mit einem etwas besseren Notendurchschnitt als Birte.
    Dann hatten sich ihre Wege getrennt: Cynthia zog nach Bonn, um Jura zu studieren, Birte nach Hamburg ins Schanzenviertel, wo sie in einer Dreier-WG ein Zimmer fand. Tagsüber studierte sie an der Universität, abends ging sie auf Konzerte und Partys, und jedes zweite

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