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Kopf Unter Wasser

Kopf Unter Wasser

Titel: Kopf Unter Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Kubiczek
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Veranstaltungen, die er an den fünf Universitäten zu absolvieren hatte.
    Holte ihn am Morgen der Fahrer vom Hotel ab, war er müde und verkatert. Am Institut stieg Birte zu, frisch und ausgeruht, obwohl sie bis zum frühen Morgen gemeinsam in irgendeiner Bar irgendeines Studentenviertels gesessen hatten. An den Universitäten diskutierten interessierte Studenten mit ihnen in hervorragendem Deutsch Probleme der Landesteilung. Danach aßen sie mit freundlichen Professoren zu Mittag, und Birte, wann immer es nötig war, übersetzte dabei. Seit sie Henry die diversen Möglichkeiten, sich falsch zu verhalten, aufgezählt hatte, schmeckte ihm das Essen noch weniger. Das Wissen, sich am Tisch nicht schnäuzen zu dürfen, ließ ihm regelmäßig die Nase laufen.
    Es folgten zwei Stunden Mittagsruhe, die er auf dem Hotelzimmer verbrachte, nicht sicher, ob er wach bleiben oder für ein paar Minuten schlafen sollte. Für den Nachmittag und den frühen Abend hatte das Institut ein Kulturprogramm zusammengestellt: Besichtigungen, Rundgänge, die Kaiserpaläste, die Aussichtsplattform des Fernsehturms auf dem Namsam, eine traditionelle Theateraufführung, der Namdemun-Markt, wo er ein paar Geschenke für Bettina besorgte: grünen Tee, eingelegten Ginseng, grellbunte Spielzeugpuppen mit Mangagesichtern, wobei Birte, wie von Dr. Kammstetter bestimmt, nie von Henrys Seite wich.
    Es war paradox: Seine Dauertrance, der Zustand erregter Erschöpfung ließ ihn den Rhythmus der Stadt, der ungleich schneller war als der des behäbigen Berlin, nicht nur vollkommen verfehlen, sondern führte im Gegenteil dazu, dass er vieles wie in Zeitlupe wahrnahm. Er hörte verzögert, er dachte langsam. Manchmal empfand er es als Anstrengung, als Zumutung, sich eine Zigarette anzünden zu müssen.
    Genau dieser maladen Form wegen hatte er schnell den Plan aufgegeben, an den 38. Breitengrad zu fahren. Er würde einen Besuch dort vortäuschen und einen steinalten Koreaner erfinden, der täglich an die Grenze käme, um seiner Schwester im kommunistischen Norden zu gedenken, von der er nicht einmal wusste, ob sie noch am Leben war. Das Grenzsetting ließ sich im Internet recherchieren, und im Souvenirshop des War Memorials, wohin ihn Birte tatsächlich begleitete, deckte er sich mit Büchern und Broschüren zum Thema ein, aus denen er, umformuliert natürlich, einfach würde abschreiben können. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie schon miteinander geschlafen. Es war tagsüber passiert, in der Mittagspause, am vierten Tag seines Aufenthaltes.
    Beim Lunch nach der Vormittagslesung war er von einer resoluten Professorin zu einer Flasche Ginsengwein überredet worden, weshalb er einigermaßen angeschlagen im Hotelzimmer ankam. Er zog das Jackett aus, stellte den Fernseher an und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Als er sich aufs Bett legen wollte, klopfte es vorsichtig an der Tür. Henry dachte, es sei eine der Putzfrauen, die er eben auf dem Gang gesehen hatte. Er stellte die Bierbüchse auf den Fernseher, öffnete die Tür und wollte sagen, dass sein Zimmer nicht gereinigt werden müsse. Aber draußen stand Birte, lächelte verlegen und hielt ihm sein Buch hin, das er im Institutsbus vergessen hatte.
    Auch an diesem Tag war Henry langsamer als gewöhnlich. Statt ihr zu danken und sie zu verabschieden, versuchte er zu erkennen, ob sich die Putzfrauenkolonne noch auf dem Flur befand, was nicht der Fall war. Dann bat er Birte, die leicht verunsichert über ihre Schulter hinweg seinem Blick in den Flur gefolgt war, herein. Sie setzte sich aufs Bett. Das Bett war gemacht, die Putzfrauen waren also schon da gewesen, dachte Henry.
    Er hatte nach dem Kuss am Ende des ersten Tages die Finger von Birte lassen wollen, hauptsächlich wegen Bettina und ein wenig wegen des Schrillen, das Birtes Stimme in anstrengenden Situationen befiel. Doch am zweiten Abend, als er gegen zehn allein im dunklen Hotelzimmer saß und einmal mehr aus dem Panoramafenster auf die Stadt sah, rief Birte an, um zu fragen, ob er Lust hätte, noch etwas zu unternehmen.
    Henry sagte: »Na gut«, und Birte sagte, dass sie ihn mit dem Taxi abholen komme.
    Sie ließen sich nach Hongdae fahren, einem Studentenviertel, das Henry an gewisse Viertel in London erinnerte, durch die er im vorigen Sommer mit Bettina gezogen war. Hier reihte sich Bar an Bar, unterbrochen von Platten- und

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