Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopf Unter Wasser

Kopf Unter Wasser

Titel: Kopf Unter Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Kubiczek
Vom Netzwerk:
während Peter permanent versuchte, die Sprache auf den seltsamen Jogginganzug zu bringen, den er trug, halb ironisch, halb im Ernst.
    Als Johanna aufwachte und schrie, gab Birte ihr die Brust. Henry beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Peter sie dabei anstarrte, und es gefiel ihm nicht.
    Â»Darf ich sie mal nehmen?«, fragte Peter, nachdem Johanna satt war.
    Â»Ausgerechnet du?«, fragte Cynthia.
    Â» Ich mag Kinder«, sagte Peter und sah sie unverwandt an.
    Birte erklärte ihm, wie er Johanna halten solle und dass er ihr vorsichtig auf den Rücken klopfen müsse, damit sie die verschluckte Luft wieder loswerde.
    Peter forderte Henry auf, ein paar Fotos zu machen, wenn er seine Digitalkamera schon dabeihabe, und weil Henry zögerte, nahm ihm Cynthia das Gerät einfach aus der Hand und machte Fotos von Johanna, die die Augen geschlossen hielt, und von Peter, der Grimassen schnitt. Dann gab sie Henry die Kamera zurück, Birte nahm Peter das Baby ab und legte es zurück ans Kopfende des Bettes.
    Nachdem sich die beiden endlich verabschiedet hatten, lieh sich Henry bei der Stationsschwester einen alten Kinderwagen aus, Birte zog eine Strickjacke über, und sie spazierten zu dritt runter zur Havelbucht, setzten sich ans Wasser und aßen schließlich in der Cafeteria Eis.
    Birte sagte, dass sie bereits morgen entlassen werde und dass ihre Eltern direkt in die Klinik kämen, um sie abzuholen. Kurz vor dem Abendbrot machte sich Henry auf den Heimweg in die Innenstadt. Er nahm den Bus bis zum Kongresszentrum und wechselte dort in die Ringbahn. Der S-Bahn-Waggon war nur mäßig besetzt, die tief stehende Sonne tauchte ihn in orangefarbenes Licht, Henry wurde schläfrig. Am Westhafen stiegen zwei Frauen zu, beide blond, beide trugen sie schlicht geschnittene Kleider aus mehreren Lagen transparenten Stoffes, der in der Farbe des hereinfallenden Sonnenlichtes schimmerte. Sie waren barfuß, kamen vermutlich aus dem nahen Strandbad Plötzensee oder von einem Picknick aus dem Volkspark Rehberge, und sie wären Henry nicht weiter aufgefallen, hätten sie nicht beide wuchtige, fellbespannte Tornister auf dem Rücken gehabt, an denen jeweils ein Paar schwerer Wanderschuhe baumelte. Als er ausstieg, versuchte Henry vorsichtig, in das Gesicht einer der Frauen zu sehen, doch sie ahnte seine Absicht und wandte sich brüsk ab.
    Am nächsten Tag stand er früh auf, putzte die Wohnung, ging einkaufen und bereitete ein Essen vor, das weder Knoblauch noch Zwiebeln enthielt, damit Johanna keine Blähungen bekam.
    Um zwei klingelte es. Auf dem Bürgersteig, direkt vor der Haustür, stand der schwarze Volvo von Birtes Vater.
    Â»Ich freu mich so unglaublich«, sagte Birtes Mutter und umarmte Henry.
    Â»Ich grüße dich, mein Lieber«, sagte Birtes Vater und gab ihm die Hand. Dann hakte er seine Tochter unter und ging mit ihr durch die Hofeinfahrt.
    Â»Johanna schläft«, sagte Birtes Mutter und öffnete die Autotür.
    Henry löste den Gurt, nahm die Trageschale mit der schlafenden Johanna und trug sie hoch ins Kinderzimmer, wo Birte das Baby in die Wiege umbettete. Henry zog die Vorhänge zu, und Birte sagte, sie sei erschöpft und müsse sich sofort hinlegen.
    Â»Gibst du so lange auf Johanna acht, Henry?«, fragte Birte. Sie winkte ihren Eltern zu und schloss die Schlafzimmertür hinter sich.
    Â»Wir werden auch unser Hotelzimmer beziehen«, sagte Birtes Mutter, »Richard ist bestimmt froh, wenn er ein bisschen Ruhe findet nach der langen Fahrt.«
    Â»Wollt ihr heut Abend zum Essen kommen?«, fragte Henry. »Es gibt Hähnchen, Kartoffelgratin und Salat.«
    Â»Wir bringen ein Fläschchen Champagner mit«, sagte Birtes Mutter. »Ich bin so froh, Henry. Du kannst es dir nicht vorstellen.«
    Nachdem sie weg waren, schlich Henry auf Zehenspitzen ins Kinderzimmer und setzte sich neben die Wiege, um ungestört seine Tochter zu betrachten: ihre kleine Nase, den kleinen Mund, den schwarzen Haarflaum auf der Stirn, die zu lockeren Fäusten geformten Hände mit den langen Fingernägeln.
    Das Zimmer war in ein märchenhaftes rosa Licht getaucht, was an Cynthias roten Vorhängen lag, gegen die die Mittagssonne schien.

Kerosin

19.
    Er schämte sich: vor Birte für seine Eltern und vor seinen Eltern für Birte. Der einzige Trost in diesen zwei Tagen des Grauens war ihm die Landschaft gewesen, weshalb er beschloss, ihr eine

Weitere Kostenlose Bücher