Kopfgeldjagd
informiert. Ich wurde allerdings nie wegen Steuerhinterziehung angeklagt, weil ich nach dem Verkauf versäumt hatte, versteuerbares Einkommen anzugeben. Auf meinem französischen Konto hatten sich inzwischen Unsummen angesammelt. Irgendwie hatte ich es völlig vergessen. Ich hatte Glück, denn auf Steuerhinterziehung stehen in Deutschland leicht zehn Jahre Gefängnis.
Eines der Unternehmen, auf die ich es abgesehen hatte, bereitete eine Klage gegen mich vor, bei der es um vier Millionen Euro ging. Meine Maulwürfe informierten mich darüber, dass der Bezirksstaatsanwalt von München meine Festnahme angeordnet hatte, sobald ich einen Fuß auf den Boden des Münchner Flughafens setzte. Die BaFin hatte mich wegen Aktienkursmanipulation angeklagt, und der Staatsanwalt von Frankfurt warf mir Insiderhandel vor, eine Straftat, auf die eine Gefängnisstrafe zwischen ein und fünf Jahren und eine Geldstrafe in Millionenhöhe steht. Meine Kinder waren Zielscheibe sehr realistischer Entführungsdrohungen. Zwei aufgebrachte, durchgedrehte Investoren hatten gedroht, meiner Mutter ernsthafte körperliche Verletzungen zuzufügen, falls ich sie nicht für ihre Verluste entschädigte. Ich besaß intensive Kontakte zum israelischen Geheimdienst Mossad, zum israelischen Waffenhersteller Rafael und zu hochrangigen Regierungsministern wie Schimon Peres. Ich stand auf allen Seiten unter Beobachtung.
Die Krönung war jedoch der Umstand, dass ich persönlich die Gelder eines deutsch-syrischen Geschäftsmanns verwaltete, der nicht nur in den größten Industrieskandal der deutschen Geschichte verwickelt war (der FlowTex-Skandal, der zu einem Verlust von vier Milliarden D-Mark führte), sondern einer Stiftung Geld gespendet hatte, die es Studenten aus dem Nahen Osten ermöglichte, an der Technischen Universität von Hamburg zu studieren. Das war die Uni, an der die Terroristen des 11. Septembers, Mohammed Atta und Marwan al-Shehhi, eingeschrieben waren, wenngleich sie nicht von meinem Kunden finanziert wurden. Eines Tages fand eine Razzia statt. Ein schwerbewaffnetes Sondereinsatzkommando für Wirtschaftsverbrechen stürmte das Luxemburger Büro von VMR, führte mehrere Führungskräfte in Handschellen ab und konfiszierte sämtliche Unterlagen und Computer. Wir wurden terroristischer Aktivitäten und der Geldwäsche für unseren Kunden, Osama bin Laden & Partner sowie die FlowTex-Gang verdächtigt. Diese Truppe versuchte, mich in die Enge zu treiben, indem sie meiner Frau eine Gefängnisstrafe androhte, weil sie sich in irgendeiner völlig unwichtigen Stellenbeschreibung als Wertpapieranalystin anstatt als Bankanalystin bezeichnet hatte. Das war so lächerlich wie lachhaft. Ich war 200 Prozent unschuldig, war aber ständig auf dem Quivive. Ich spürte meine Verwundbarkeit.
Neben den offenen Drohungen gab es zahllose Nebenrisiken: skrupellose Kunden, betrügerische Treuhänder, verstimmte Investoren und bösartige Partner und Mitarbeiter. Meine Wahlmöglichkeiten waren einfach. Ich konnte mich in den Ruhestand zurückziehen, kleinere Brötchen backen oder meine Risiken absichern. Da ich viel zu viel Geld verdiente und viel zu viel Spaß an meinem Geschäft hatte, um die Brocken hinzuwerfen, beschloss ich, die Herausforderung zu meistern, Immunität vor Strafverfolgung zu erlangen.
Zusammen mit Gold-Zack hatte ich die beiden Tennisturniere der ATP Challenger Tour in Aschaffenburg und auf Mallorca gesponsert. Ich liebte es, Tennisasse wie Yannick Noah, Boris Becker, Mats Wilander, John McEnroe und andere zu beobachten. Während des Turniers auf Mallorca wurde ich einem vorgeblichen deutschen Diplomaten namens Thorsten Schütze vorgestellt, der seinen Wohnsitz in Monte Carlo und Puerto de Andratx hatte. Thorsten charterte gelegentlich eines meiner Flugzeuge. Meistens kamen wir bei gesellschaftlichen Anlässen zusammen. Er war ein eher verschlossener und zurückhaltender Mensch.
Schließlich machte er mich mit Sir Thomas Bowden bekannt. Sir Thomas (alias Albert K., verurteilter Berufsverbrecher) versprach mir das Blaue vom Himmel. Anfangs arbeitete er daran, mir einen Posten als Sonderbotschafter von Argentinien zu verschaffen, aber dieses Vorhaben scheiterte kläglich. Dann versuchte er, mir einen Posten als litauischer WHO-Abgesandter in Genf zu besorgen. Als ich herausfand, dass sein Schlüsselkontakt eine Vorstandssekretärin der litauischen Botschaft in Madrid war, wurde ich skeptisch. Die Verleihung eines diplomatischen Postens und
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