Kopfgeldjagd
die diplomatische Akkreditierung sind komplizierte Rechtsvorgänge, mit denen seriöse protokollarische Verfahren und umfangreiche Formalitäten verbunden sind.
Kurz nach dem Ende des Bürgerkriegs reisten wir nach Liberia, aber auch bei diesem Versuch kam nichts heraus. Schließlich beschloss ich, die Medien und Behörden auf Albert und seinen Gefolgsmann Thorsten anzusetzen, nachdem sie versucht hatten, mich davon zu überzeugen, dass irgendwelches Briefpapier mit dem Briefkopf der UNESCO und irgendwelche Plastiknamensschilder einer diplomatischen Akkreditierung gleichkamen. Albert hatte das Honorar, das ich ihm für seine Bemühungen zahlte, für schicke Autos und leichte Frauen ausgegeben, wenngleich ich einen Teil des Geldes zurückerhielt. Mehrere Jahre später wurde er von Interpol geschnappt und landete im Gefängnis. Er hat einige sehr ernst zu nehmende Leute verärgert und täte gut daran, sich rarzumachen. Er verriet alle seine Kontakte, Zulieferer, Vermittler und Kunden, um eine kürzere Gefängnisstrafe auszuhandeln. Dabei versuchte er auch, mich mit hineinzuziehen, konnte aber keine Beweise für irgendwelche Vergehen meinerseits vorlegen. Ich hatte mehr als ein Jahr mit diesem verkommenen Berufskriminellen verschwendet. Auf der anderen Seite hatte ich erfahren, was dazugehört, um in den Genuss eines offiziell akkreditierten Diplomatenstatus zu kommen. Ich beschloss, auf weitere Abkürzungsversuche und schleimige Vermittler zu verzichten und die Sache selber in die Hand zu nehmen, und zwar richtig.
Mir gefiel die Vorstellung, Diplomat zu werden. In der Highschool wollte ich zum Auswärtigen Dienst, aber mit Anfang 20 hatte ich erkannt, dass die meisten Diplomaten nichts weiter waren als glorifizierte Bürokraten mit einem Haufen Privilegien, wenig Macht und einer armseligen Vergütung. Die Aussicht, in einem Entwicklungsland etwas Konstruktives zu bewirken, war dabei eine zweitrangige Überlegung – so etwas wie mein Job im Hochsicherheitsgefängnis von Walpole. Ich würde einen gewissen Kick mit nützlicher Arbeit verbinden können. Gewiss war ich für einen diplomatischen Posten qualifiziert. Ich wusste viel über Wirtschaft, Finanzen und die Dritte Welt. Außerdem war ich in Politikwissenschaft bewandert und beherrschte mehrere Sprachen.
15.000 befreite amerikanische Sklaven besiedelten Liberia, indem sie sich in den Jahren 1821 und 1822 dort niederließen. Sie wurden von Präsident Monroe (nach dem die Hauptstadt Monrovia benannt ist) und der Amerikanischen Kolonialisierungsgesellschaft finanziert. Die Kolonialisten übernahmen die amerikanische Verfassung und führten das System der großen Südstaatenfarmen ein, das heißt, sie versklavten einen Großteil der Urbevölkerung. Zwangsarbeit, was im Wesentlichen ein Euphemismus für Sklaverei ist, wurde in Liberia erst 1936 abgeschafft.
Ich beschloss, für Liberia zu arbeiten, weil mein Engagement dort die größte Wirkung erzielen würde. Ich hatte mich mit Dr. Richard Tolbert, dem Sohn des ehemaligen liberianischen Präsidenten William Tolbert, gut verstanden, während ich noch in New York arbeitete. Richards Vater und 27 weitere Regierungsmitglieder wurden 1980 von dem berüchtigten Samuel Doe hingerichtet. Das war der Zündfunke für den ersten größeren Gewaltausbruch, auf den drei Bürgerkriege folgten, die insgesamt 14 Jahre dauerten und in deren Verlauf rund 300.000 Menschen – das entspricht zehn Prozent der Bevölkerung – ums Leben kamen. Als ich ein Jahr nach Ende des Bürgerkriegs Liberia als meine diplomatische Heimat wählte, lag das Land in Schutt und Asche, war äußerst instabil und hochgefährlich. In Liberia war das zu dem Zeitpunkt weltweit größte Kontingent an UN-Truppen stationiert.
Liberia war eine perfekte Wahl: Ein aufregendes, berüchtigtes und blutiges Chaos, das langfristig große Vorteile und die Chance bot, diplomatische Immunität auf höchster Ebene zu erhalten. Nachteile gab es keine. Im Jahr 2003 wurde ich bei Liberias Botschafter in Frankreich vorstellig und präsentierte meine Qualifikationen. Es dauerte ein Jahr, bis ich zum Kulturattaché ernannt wurde, und ein wenig länger, bis das französische Außenministerium meiner Ernennung zustimmte und ich bei der UNESCO akkreditiert war. Und was noch besser war: Es kostete mich keinen Cent. Alles, was man von mir erwartete, war harte Arbeit und messbare Ergebnisse. Ich habe die Erwartungen der liberianischen Regierung übererfüllt. Nach der Wahl von Ellen
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