Kopfgeldjagd
gearbeitet, kannte mich ein wenig im Ingenieurwesen aus und konnte schlichtes Deutsch reden. Georg und Ronny waren äußerst ruppig und flößten der Unternehmensführung Furcht ein. Gruschka mit seinem affektierten, besserwisserischen und weltläufigen Getue war bei M+W Zander die Witzfigur schlechthin. Mehrmals schwebte er per Hubschrauber auf dem Unternehmensgelände ein. Bei der ersten Landung seiner überdimensionierten Luftkutsche dachten die Mitarbeiter, irgendetwas Schreckliches sei passiert. Da hatten sie allerdings recht.
Wir hatten Gruschka und MM jedoch zu früh ausgezählt. Aller niederschmetternden Rückschläge zum Trotz gaben sie nicht auf. Gruschka, der fürchtete, entweder Victory oder wir würden ihn im Staub zurücklassen, hatte die Vermögenswerte von M+W Zander heimlich auf eine Schweizer Vorratsgesellschaft übertragen, die nun 30 Millionen Euro dafür haben wollte. Victory und wir lachten über dieses plumpe Manöver. Georg und Ronny begriffen endlich, was Gruschka und MM waren: lästige kleine Kläffer, die versuchen, in der Profiliga mitzuspielen. Wie konnten diese Typen ein Unternehmen an zwei separate Organisationen verkaufen, das sie zuvor bereits an eine undurchsichtige Schweizer Papierhülle mit beschränkter Haftung übertragen hatten? Diese beiden hatten eine sehr interessante Auffassung von allgemein akzeptierten Rechtsprinzipien.
Gruschka und MM wollten lieber 200 Millionen kassieren, anstatt sich auf einen bombensicheren Gewinn von 80 Millionen Euro zu einigen, und standen am Ende mit leeren Händen da. Mit Homm ist nicht gut Kirschen essen, und mit der unheiligen Dreifaltigkeit Ronny, Georg und Oligarch Nummer 1 erst recht nicht. Victory und ACMH traten in echte Vertragsverhandlungen ein und platzierten Gruschka und MM in das obere Dezil unserer jeweiligen schwarzen Liste. Wir machten ihnen die Hölle heiß, und am Ende – welche Überraschung – blieben ihnen nur Tränen, Reue und heftige Kopfschmerzen.
Schließlich einigten wir uns mit Ronny und Georg. Ich habe nie erfahren, was mit der Gründerfamilie Zander passiert ist, die eine Minderheitsbeteiligung von 27 Prozent besaß. Sie hatte alternativ mit ACMH, Victory und Gruschka verhandelt und ein wenig zu oft die Seiten gewechselt. Sie war viel zu wechselhaft und unbeständig, als dass man ihr hätte trauen können. Angesichts der Natur des Geschäfts, um das es ging, und der Akteure, die daran beteiligt waren, nehme ich an, dass sie ausgebootet wurden. Georg Stumpf feuerte den CEO von M+W Zander. Ich überwies ihm eine Abfindung von 500.000 Euro von meinem Privatkonto als Anerkennung für seine treue Unterstützung und Loyalität. Georg, Ronny und Oligarch Nummer 1 verbrachten in den folgenden Jahren viel Zeit und Geld mit der Abwehr von Straf- und Zivilprozessen in der Schweiz. Inzwischen ist Georg mit seiner Stumpf Gruppe alleiniger Eigentümer von M+W Zander. Gruschka und MM betreiben wahrscheinlich nach wie vor ihre zwielichtigen Geschäfte. M+W Zander lebt und scheint sich zu behaupten.
Natürlich war unsere Beteiligung an M+W Zander mehr wert als der Preis, den wir in einem geordneten Markt erzielten. Aber diese ganze Transaktion war einfach von Grund auf verseucht und umgeben von zwielichtigen sozialen Aufsteigern, Magnaten, einem Oligarchen, nervösen Bankern, berühmten Politikern, einem knallharten Hedgefondsmanager, Regulierungsbehörden, streitsüchtigen und launischen Minderheitsaktionären, möglichen Haftungszahlungen in Höhe von 62 Millionen Euro, endlosen Rechtskomplikationen und unausgesprochenen Drohungen hochgefährlicher Leute.
Am Ende verkauften wir unseren Anteile an M+W Zander unter Wert. Aber was soll’s. Ich habe niemanden umgebracht. Menschen sterben, wenn sie erschossen werden, aber nicht, wenn sie 100 Prozent Gewinn in weniger als 18 Monaten erzielen.
10. Liberia
Für mich entscheidet sich die Menschlichkeit unserer Welt am Schicksal Afrikas.
Horst Köhler
In meinen ersten Jahren bei ACMH wurde mir meine juristische Angreifbarkeit immer deutlicher. Im Jahr 2001 musste ich eine Steuernachzahlung von fünf Millionen Euro leisten. Eigentlich versuchte ich eher, Steuern zu vermeiden als Steuern zu hinterziehen, aber wie immer vollzog ich dabei einen Drahtseilakt. Außerdem hatten die Finanzbehörden mein Schweizer Konto entdeckt, auf dem die Einnahmen aus dem Verkauf meiner Strandvilla im französischen Médoc lagen. Die französischen Steuerbehörden hatten die deutschen Steuerbehörden
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