Kopfgeldjagd
Leerverkäufer, Greenmailer und aktivistischen Investoren mit einer langen Erfolgsbilanz an den Aktienmärkten. Bei einigen Investoren war ich allerdings auch äußerst umstritten.
Viele der Fonds, die ich in der Vergangenheit gemanagt oder mitverwaltet habe, wurden mit nationalen und internationalen Investmentauszeichnungen geehrt. Dennoch hatte ich bei einigen potenziellen Kunden den Ruf, unbeständig und waghalsig zu sein – vor allem bei den Kunden, die darauf fixiert waren, das der VMR European Value Fund, der einstige Starperfomer, in einem absolut freundlichen Aufwärtsmarkt innerhalb eines einzigen Jahres ein Viertel seines Werts eingebüßt hatte.
Im ersten Jahr erzielte unser Absolute Return Europe Fund eine Rendite von 29 Prozent und schlug damit im Crashjahr 2002 alle anderen europäischen Hedgefonds um Längen. Der Markt hatte stark nachgegeben (in Europa betrug der Rückgang vom Höchst- auf den Tiefststand 37 Prozent) und der durchschnittliche Hedgefonds war entweder flat oder machte Verluste, während der durchschnittliche Investmentfonds schwer blutete. Wir hatten unter mehreren Hundert Wettbewerbern die Spitzenposition erlangt, indem wir den Markt über die zwei Kandidaten mit der liberalsten Rechnungslegung des DAX 100 belehrten: MLP und WCM. Natürlich waren wir bei beiden Aktien umfangreiche Short-Positionen eingegangen. Die MLP-Aktie verlor insgesamt 90 Prozent und WCM meldete Bankrott an, wodurch wir praktisch grenzenlose Renditen auf das eingesetzte Kapital erzielten. Meine Strategie, bei extrem widrigen Marktverhältnissen durchzuhalten, hatte sich auf traumhafte Weise bewährt. Die Ironie lag darin, dass zu dem Zeitpunkt, da wir unsere Leerverkaufsattacke gegen MLP und WCM starteten, keiner der 50 Analysten, die diese Aktie beobachteten, auch nur eine einzige Verkaufsempfehlung aussprach. Die Mehrheit empfahl diese Aktie sogar aktiv zum Kauf. Das war eine Wiederholung der Geschichte der Bremer Vulkan. Analysten sind Schafe und absolut nutzlos, es sei denn, sie würden wirklich in die Tiefe und die Breite recherchieren (Competitive Verification) oder die Interpretation von Cashflow und Bilanzen sowie die Branchendynamiken beherrschen. Das kommt aber selten vor. Ökonomen sind manchmal noch schlimmer und produzieren zuviel einfallslosen Konsensmüll.
Anders als VMR brach die Performance unseres Hedgefonds nicht im zweiten Jahr ein. Mit wachsendem Fondsvermögen wurde mein Büro in meinem Anwesen auf Mallorca zu klein. In weniger als vier Monaten zog ich auf meinem Grundstück ein zweigeschossiges Gebäude hoch. Im Erdgeschoss saßen bis zu zwölf Investmentprofis und im ersten Stock arbeiteten unsere angestellten Mitarbeiter. Wir engagierten sogar einen Koch, damit die Mitarbeiter in der Mittagspause das Gebäude nicht verlassen mussten. Alles war darauf ausgerichtet, ein Höchstmaß an Effektivität, Effizienz und Produktivität zu garantieren.
Im dritten, vierten und fünften Jahr erzielten wir solide Ergebnisse. Wir gründeten neue Fonds und verzeichneten rasante Mittelzuflüsse. Im Jahr 2006 waren wir Weltspitze und gewannen die Auszeichnungen Beste Europäische Hedgefondsgesellschaft und Bester Europäischer Hedgefonds, die von dem führenden Magazin Hedge Fund Review vergeben werden. Wir kauften eine gut positionierte und profitable Hedgefondsgesellschaft auf dem Gebiet Aufstrebende Märkte (Argo Capital Management Ltd.) mit Sitz in London und Niederlassungen in Lateinamerika, Zypern und Asien sowie einen großen Immobilienfonds. Wir verwalteten ein Fondsvermögen von mehr als drei Milliarden Dollar und erwarteten einen Cashflow von 80 Millionen Dollar. Mein Anteil an ACMH war rund 250 Millionen Dollar wert. Seit unserem Börsengang hatte sich der Aktienkurs versiebenfacht, und seit der Gründung fünf Jahre zuvor war das verwaltete Fondsvermögen um das Dreihundertfache angestiegen. Wir hatten Büros in London, Palma, Zug, Rio, São Paulo, der Karibik und im Fernen Osten. Wir waren eine Erfolgsstory ohne Gleichen. Viele unserer Händler und Manager wurden Millionäre. Alle hätten glücklich und zufrieden sein sollen.
Waren wir aber nicht.
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Im Jahr 2004 war JR ins Unternehmen gekommen, um die betrieblichen Abläufe, die Besteuerung, das Wachstum und unser Marketing zu optimieren. Er professionalisierte ACMH und setzte am richtigen Platz die richtigen Hebel für ein schnelles organisches Wachstum und solide Organisationsstrukturen an. Die Zeiten, in denen ich mit Einkaufstüten
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