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Kopfjagd

Kopfjagd

Titel: Kopfjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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freizuschießen.
      Ich angelte mir den Bademantel und
schlüpfte mit dem schußbereiten Revolver in der Hand hinein,
was gar nicht so einfach war, und horchte. Es war nichts zu hören,
also tat ich, was das Normale zu sein schien, und öffnete die
Tür zu meinem Zimmer. Was ich sah, erschreckte mich zutiefst.
      Der Mann, der an meinem Bett stand
und meine Jacke durchsuchte, schien direkt vom Marktplatz zu stammen,
er war einer von den Mestizen in Hose und Hemd, beides zerlumpt, und
mit einem Palmenblatt als Sombrero. Er hatte eben meine Brieftasche aus
der Jackentasche geholt. Also alles, was ich auf der Welt noch
besaß.
      »Nein, heute nicht, compadre«, sagte ich. »Leg das schön aufs Bett, und zwar ein bißchen plötzlich.«
    Zuerst sah er so aus, als wolle er das auch
anstandslos tun. Er ließ die Schultern hängen. Dann murmelte
er verzweifelt: »Señor, meine Frau, meine Kinder. Haben
Sie Erbarmen.«
      Besonders großen Eindruck
machte er damit auf mich allerdings nicht. Ich fand, jeder Maler, der
sich auf religiöse Themen spezialisierte, hätte ihn als
perfektes Modell für einen Judas Ischariot nehmen können.
Oder jedenfalls paßte der Vergleich bis zu einem gewissen Grad,
denn als er dann plötzlich auf dem Absatz herumwirbelte, mir meine
Jacke ins Gesicht schleuderte und davonlief, hatte er mich wirklich
überrascht.
      Als ich die Tür erreichte, war
er fast schon an der Treppe, und so hatte ich keine große Wahl,
denn meine Brieftasche hielt er noch immer fest in der Hand. Ich
verpaßte ihm also einen Schuß ins rechte Bein, was sonst
hätte ich tun sollen?
      Er fiel, ohne einen Laut von sich zu
geben, gegen das Treppengeländer, und ich hörte ihn zweimal
an das Schmiedeeisen prallen. Als ich an der Treppe angekommen war, lag
er mit dem Gesicht nach unten auf dem nächsten Treppenabsatz. Er
warf mir über die Schulter einen wütenden Blick zu, und dann
rutschte er, zu meinem blanken Erstaunen, plötzlich den ganzen
Rest der breiten Marmorstufen hinunter, wie eine Schnecke eine Blutspur
hinter sich herziehend.
      Dann passierten ein paar Dinge
gleichzeitig. Janos kam von der Veranda auf seinen schwarzen
Elfenbeinkrückstock gestützt herbeigehumpelt, und hinter ihm
erschienen aus der Küche einige Leute vom Personal. »Um
Gottes willen, Sir, was geht hier vor?«
      »Meine Brieftasche«, sagte ich. »Er hat meine Brieftasche gestohlen.«
      Der Dieb rutschte noch die letzten
Stufen hinunter und blieb vor dem fetten Mann liegen. Janos beugte sich
zu ihm hinunter und hantierte im Schatten herum. Als er sich wieder
aufrichtete, war sein Gesicht ernst und vorwurfsvoll.
»Brieftasche, Sir? Ich kann hier keine Brieftasche finden.«
    Jetzt sank mir das Herz in die Hose, denn mit einem
Mal wurde mir klar, daß die leise Möglichkeit bestand, dies
alles hier bedeute mehr als nur das, was man auf den ersten Blick
erkennen konnte.
      Die Polizei kam auch eiligst, wie
üblich bis an die Zähne bewaffnet, und sie stürmten zur
Tür herein, als wollten sie alles über den Haufen
schießen, was sich nur bewegte, obwohl der Sergeant von
ausgesuchter Höflichkeit war und sich meine Geschichte mit der
allergrößten Geduld anhörte.
      Der Lump am Boden, der bei dem ganzen
Durcheinander überhaupt niemanden interessierte, hielt sich sein
Bein. Zwischen seinen Fingern quoll das Blut heraus. Er verfluchte alle gringos und ihre Brut bis in die zehnte
Generation. Er war unschuldig wie ein Kind und bei Señor Janos
als Portier beschäftigt. Der Sergeant versetzte ihm mehr nebenbei
einen kleinen Tritt in die Rippen, trug seinen Leuten auf, nach der
Brieftasche zu suchen, und geleitete mich hinauf in mein Zimmer, damit
ich mich ankleiden konnte.
      »Machen Sie sich keine Sorgen,
Señor«, beruhigte er mich, »der Mann ist ein
amtsbekannter Dieb. Señor Janos hat ihm ehrliche Arbeit
verschafft – aus purer Großmütigkeit, und das ist sein
Dank dafür. Wir finden diese Brieftasche schon. Sie brauchen
nichts zu befürchten, gegen Sie wird nichts unternommen.«
      Als wir dann freilich nach unten
zurückkehrten und er feststellen mußte, daß seine
Leute nichts hatten finden können – eine Tatsache, die mich
kaum noch überraschte –, da nahm sein Gesicht einen eher
melancholischen Ausdruck an. »Das ist natürlich ein
schwieriger Fall, Señor«, gab er mir zu bedenken.
»Versetzen Sie sich einmal in meine Lage! Wenn Sie auf diesen
Mann geschossen haben, weil Sie ihn auf frischer Tat beim

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