Kopfjagd
Diebstahl
Ihrer Brieftasche ertappten, so ist das natürlich eine
Sache…«
»… aber einfach nur so auf ihn zu schießen, das ist eine ganz andere, das denken Sie doch?«
»Ganz genau, Señor, in
der Tat. Ich muß Sie wohl leider bitten, mit mir zum
Polizeipräsidium zu kommen. Der Chef wird Ihnen zweifellos ein
paar Fragen stellen wollen.«
Seine Hand auf meinem Arm war
plötzlich gar nicht mehr sanft, und als wir losmarschierten, sagte
Janos mitfühlend mit bebenden Lippen: »Keine Angst, Sir, ich
helfe Ihnen. Vertrauen Sie mir, Mr. Keogh.«
Mit Versicherungen solcher Art abgeführt zu werden, ist auch nicht gerade beruhigend.
Jenseits der Stadt flirrte die Sierra unter
blauem Himmel, und das Flimmern der Hitze zog sich weit nach Norden in
Richtung Grenze. Mehr konnte ich zwischen den Gitterstäben, an
denen ich mich hochzog, um aus dem kleinen Guckfenster hinauszusehen,
nicht erkennen. Man hatte mich in die sogenante allgemeine
Aufnahmezelle gesteckt, einen Raum von etwa zwölf Quadratmetern
mit rohen Steinwänden, der aussah, als sei er schon zu Zeiten von
Cortez alt und heruntergekommen gewesen. Wir waren im Augenblick etwa
dreißig Mann hier drin, mit anderen Worten: die Zelle war
ziemlich belegt. Der Geruch, der herrschte, läßt sich kaum
beschreiben. Er war eine feine Mischung aus Uringestank, Exkrementen
und Schweiß, alles ungefähr zu gleichen Teilen.
Jede Stunde, die man das ertragen
mußte, war eine zuviel. Ein Indio erhob sich und erleichterte
sich in einen bereits überquellenden Eimer. Ich machte, daß
ich eilends in eine andere Ecke kam. Ich holte meine Packung Zigaretten
aus der Tasche und steckte mir eine an.
Die meisten anderen in der Zelle waren ebenfalls
Indios mit platten, ausdruckslosen Gesichtern, einfache Leute aus dem
Hinterland, die in die Stadt gekommen waren, um Arbeit zu suchen, sich
aber jetzt im Gefängnis wiederfanden. Wahrscheinlich aus
Gründen, die weder sie selbst kannten noch sonst irgendwer.
Ihrer aller Interesse galt mir, sie
waren neugierig, weil ich der einzige Europäer hier war –
eine Tatsache, die an sich schon reichlich ungewöhnlich war. Einer
von ihnen erhob sich von der Bank, auf der er saß, nahm seinen
Stroh-Sombrero ab und bot mir mit solcher ungelenken
Bauernhöflichkeit seinen Platz an, daß ich unmöglich
ablehnen konnte.
Ich setzte mich, zog wieder mein
Zigarettenpäckchen heraus und bot es rundum an. Nur zögerlich
und scheu bedienten sich die mir am nächsten Sitzenden, aber bald
rauchten wir in Freundschaft vereint. Die leichten Zigaretten wanderten
die Reihe durch von Mund zu Mund.
Der Türriegel quietschte laut.
Die Tür öffnete sich, und der Sergeant tauchte auf.
»Señor Keogh, wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
Ah? Da waren wir also wieder ganz die
Höflichkeit selbst? Ich folgte ihm den weißgetünchten
Korridor entlang, während die Tür hinter mir wieder ins
Schloß fiel. Wir stiegen die Stufen hinauf in eine angenehmere,
sauberere Welt und nahmen den Weg zum Verwaltungsgebäude der
Polizeibaracken.
Vor vier Monaten war ich schon einmal
hier gewesen. Damals hatte ich eine Arbeitserlaubnis gebraucht. Man
hatte mich ordentlich blechen lassen dafür; mit anderen Worten,
der Polizeichef von Bonito hier war ebenso unbestechlich wie all die
anderen Polizeichefs in dieser Gegend.
Der Sergeant führte mich zu
einer Bank in einem weißgetünchten Korridor unter den Augen
zweier sehr militärisch dreinblickender Wachen, die zu beiden
Seiten der Tür des Büros des Chefs standen. Sie hielten
MannlicherGewehre in den Händen, wie sie die Deutschen im Krieg
gehabt hatten. Die beiden ignorierten mich völlig. Nach einer
Weile dann öffnete sich die Tür, und der Sergeant winkte mich
hinein.
Der Raum war nur sehr dürftig möbliert. Schreibtisch,
Aktenschrank. Das war ungefähr alles.
Abgesehen von einigen Stühlen, von denen einer von meinem fetten
Freund aus dem Hotel Blanco besetzt war, der andere vom Polizeichef.
Janos rappelte sich mühsam hoch
und stand schließlich schwankend, schwer gestützt auf seinen
Elfenbeinstock. Schweiß bedeckte sein sorgenvolles Gesicht.
»Eine schlimme Geschichte, Mr. Keogh, aber Sie sehen mich an Ihrer Seite, Sir. Bis zuletzt.«
Er sank wieder auf seinen Stuhl. Der
Chef sagte: »Ich bin José Ortiz, Señor Keogh, Chef
der Polizei in Bonito. Zunächst einmal entschuldige ich mich
für Ihre bisherige Behandlung. Ein bedauerlicher Irrtum von seiten
meines
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