Kopfjagd
ständige Konfrontation mit dem Tod.
Van Horne lag auf einem Tisch, in vollen Regalien, über allem wieder das goldene Chorhemd. Zwischen seinen gefalteten Händen steckte ein Kruzifix, oberhalb seines Kopfes und zu seinen Füßen brannten Kerzen. Er sah aus, als würde er jeden Moment die Augen öffnen.
»Wir hatten keinen Sarg, der groß genug für ihn war, Señor«, flüsterte Moreno. »Aber der Schreiner ist bereits an der Arbeit.«
Der Gestank der Kerzen überwältigte mich, und außerdem gab es hier auch nichts weiter für mich zu tun. Ich hatte mich ja schon von ihm verabschiedet. Ich betrat die Sakristei, Moreno folgte mir. Die Sachen, von denen er gesprochen hatte, waren nicht wirklich die van Hornes. Es waren die aus der Schiffskiste, die dem Priester, der in Manila gestorben war, gehört hatten, aber das konnte ich Moreno gegenüber natürlich nicht erwähnen.
Statt dessen sagte ich: »Bewahren Sie alles an einem sicheren Ort auf. Vielleicht kann der neue Priester die Sachen brauchen.«
»Der neue Priester, Señor?«
»Nun, man wird euch wohl wieder einen schicken, besonders jetzt, wo sich viele Dinge geändert haben.«
»Und Don Tomas?«
»Der ist am Ende.«
Ich brachte es nicht fertig, noch einmal durch die Kirche zu gehen, und verließ die Sakristei deshalb durch die Tür, die direkt auf den Weg zum Stadttor führte. Wir waren gerade am Hotel angekommen, als einer der Wachtposten am Tor einen Schuß abfeuerte und einen ankommenden Reiter ankündigte.
Ich begab mich zusammen mit Moreno zum Tor hinaus. Einige Leute kamen mit uns. Sie hatten Gewehre in den Händen. Nachita kam uns entgegengeritten. Hinter ihm stolperte Jurado mit gefesselten Händen und einem Zaumseil um den Hals, genau wie der arme Teufel, den er am Vormittag umgebracht hatte.
»Er floh nicht schnell genug«, sagte Nachita.
»Was ist mit den anderen?«
»Alle bereits fort. Sie haben nur den hier zurückgelassen, weil er den Priester abliefern sollte. Der Regen macht es schwer, Spuren zu finden.«
Jurados Gesicht war noch immer schlimm zugerichtet. Ein Auge war halbgeschlossen. Doch es zeigte nichts als Haß. »Also schön, Keogh, Sie haben mich. Aber Don Tomas hat Ihre kleine Freundin, und wenn er und die anderen Jungs erst mal mit ihr fertig sind…«
Ich hinderte ihn mit einem Schlag ins Gesicht daran, den Satz zu vollenden. »Das können Sie sich sparen. Wohin sind sie geritten?«
Er spuckte mir ins Gesicht. Ich wischte den Speichel mit dem
Saum meines Ponchos ab und schlug Jurado ohne Umschweife zu Boden.
»Ich könnte ihn schon zum Sprechen bringen, Señor«, sagte Nachita.
»Wie lange brauchst du dafür?«
»Nicht länger, als man braucht, um ein Feuer anzuzünden.«
»Dann grill es raus aus dem Bastard. Je eher, desto besser.«
»Und das funktionierte, denn mehr als brutale Kraft und Ignoranz war an Raul Jurado nie gewesen. Er war schon einmal unter meinen beiden Händen zerbrochen. Und er zerbrach jetzt wieder.
Nachita gab seinem Pferd die Sporen. Das Zaumseil spannte sich und schleifte Jurado über den rauhen Boden. Da schrie er mit Furcht in der Stimme: »Nein, nicht der Indio!«
In Erinnerung an einige der Dinge, die mir Janos über die Brutalität der Yaquis erzählt hatte, war ich nicht sonderlich überrascht. Ich sagte also: »Gut, aber ich frage Sie nur einmal. Wie viele Leute sind noch bei de la Plata?«
»Fünf.«
»Wohin sind sie geritten?«
»Poneta.«
Ich sah Nachita an, der nickte. »Ich kenne den Ort. Vielleicht fünfundzwanzig Meilen von hier auf der anderen Seite des Tals der Engel. Dort lebt schon seit vielen Jahren niemand mehr.«
Ich stieß Jurado mit meinem Stiefel in die Rippen. »Stimmt das?«
Er nickte. »Don Tomas hat diesen Ort schon oft benützt. Er kann von dort aus Leute zur Verstärkung aus den Bergen holen lassen.«
Das klang ganz plausibel, deshalb zog ich ihn hoch und schob ihn Moreno und seinen Leuten zu. »Paßt auf ihn auf, bis die federales kommen«, befahl ich. »Die sollen ihn nach Recht und Gesetz behandeln.«
Er drehte sich um und beschimpfte mich, aber Moreno schlug ihm ins Gesicht. Einige andere nahmen das Ende des Zaumseiles und zogen ihn hinter sich her in den Ort.
Nachita stieg ab, und wir folgten ihnen. »Dieses Poneta«, fragte ich, »wie sieht das aus?«
»Eine Kirchenruine am Rande einer Schlucht, und drei oder vier Straßen. Zu Beginn der Revolution diente es als
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