KOR (German Edition)
mit ihm getan. Er hatte ihr eine Ohrfeige verpasst, was sie wieder zu sich gebracht hatte. Chad quälte sich genauso wie sie. Zum Glück ereilten sie die Schübe nicht zur selben Zeit. Der Verlust ihrer Selbstbeherrschung würde zu einer Katastr o phe führen. Sie würden enden wie Allan Whitehead und seine Man n schaft.
Yui holte die Handgranate aus ihrer Jackentasche. Plötzlich kamen ihr Zweifel. Konnte dieser kleine Sprengkörper etwas gegen eine acht Meter hohe Kreatur ausrichten, die nicht einmal von dieser Welt stammte? Wieso hatte ihr John Arnold auch nur diese eine Granate gegeben? In dem Gurt, den er aus dem Lagerraum geholt hatte, hatten mindestens fünf gesteckt.
„Versuchen wir unser Glück“, sagte Chad .
Yui zog ihre Jacke aus. Die Schwüle wurde unerträglich. „Ich steige hinu n ter.“
„Lass mich das machen“ , erwiderte er.
„Mit deiner Wunde kannst du nicht schnell genug die Leiter wieder empo r klettern. Richards sagte, das Ding geht nach etwa einer Minute hoch. Auße r dem, wie willst du den Kanister hinunter tragen? Ich sehe dir doch an, dass dich deine Wunde viel zu sehr beeinträchtigt.“
„Na, so schnell werde ich wohl noch sein.“
Yui winkte entschieden ab. „Nichts da. Ich erledige das.“
„Und wenn dir etwas passiert?“
Am liebsten hätte sie ihn einfach nur umarmt. Tränen traten in ihre Augen. „Mir passiert nichts. Verstanden?“
Chad erwiderte nichts.
Sie näherte sich der Leiter. Er beobachtete, wie sie vorsichtig die oberste Sprosse erklomm. Als sie einen einigermaßen sicheren Halt hatte, reichte er ihr den Kanister. Dabei berührten sich ihre Finger. Yui entrang sich ein leises Stöhnen. Sie hielt sich so lange an der Leiter fest, bis sie wieder Herr ihrer eigenen Sinne war.
Chad betrachtete sie. „Mir geht es nicht anders.“
Sie lächelte zögerlich, um ihre Scham zu verbergen. „Findest du nicht auch, dass es eine dumme Idee gewesen war, an den Südpol zu fahren?“
Chad grinste. „Ich halte von hier oben Wache.“
Mit wackeligen Beinen kletterte sie in die Tiefe. Sie litt nicht nur unter Flugangst, sondern durfte auch ein klein wenig Höhenangst ihr Eigen ne n nen. Da sie sich nur mit einer Hand festhalten konnte, führte dies nicht u n bedingt dazu, dass sie sich besser fühlte. Eine Phobie zog manchmal andere mit sich. Sie musste Maggie Hodge r echt geben. Man konnte nicht glauben, dass sie einen solchen Job verrichtete. Sie fragte sich manchmal, was sie dazu verleitete. Ihre Eltern wünschten sich nichts sehnlicher, als dass sie en d lich heiratete. Yui wollte davon nichts wissen. Ein ruhiges Leben und eine vorg e plante Zukunft zählten nicht zu ihren Favoriten. Manche Me n schen sahen ein Reihenhaus und eine Lebensversicherung als das Ziel ihres Daseins an. Sie dachte da anders. Vielleicht gehörte dies auch mit zu den Gründen, die sie in die Arme der Grenzwissenschaften getrieben hatten. Unvorhergesehene Di n ge machten das Leben einfach spannender.
Völlig unerwartet ließ Yui den Kanister fallen. Wie ein Stein fiel er in die Tiefe und schlug mit einem dumpfen Knall auf. Verkrampft klammerte sie sich an den beiden Holmen fest. Sie drückte sich gegen die Sprossen, aus Angst, jeden Moment herunterzufallen. Ihr Herz raste. Hatte sich die Leiter gerade bewegt? Oder hatte die Höhenangst ihr einen Streich gespielt? Sie wartete ab, wobei ihre Knie zitterten. Es war ihr vorgekommen, als habe jemand an der Leiter gerüttelt. Doch wer sollte das gewesen sein? Simon lag tot am Grund der Grube.
Durch den harten Aufprall hatte sich der Deckel des Kanisters gelöst. D er Sprit ergoss sich über den Boden wie Wasser aus einer umgestürzten Gie ß kanne .
„Alles klar?“
Yui hob ihren Kopf.
Chad erwiderte ihren Blick mit großer Sorge.
„Es geht schon. Aber d er Sprit .“ Sie schloss für einen Moment ihre A u gen und drückte ihre Stirn gegen eine der Sprossen. Es musste sich um bloße Einbildung gehandelt haben. Versuchte das Wesen, sie aus dem Gleichg e wicht zu bringen? Der Stamm dieser bizarren Baumstruktur verlief ungefähr zwei Meter von ihr entfernt senkrecht nach oben. Das Wesen regte sich nicht. Die einzigen Veränderungen bezogen sich auf die kolossalen Tri e be. Jedenfalls bezeichnete Yui diese Auswucherungen als solche. Welche Funkt i on ihnen in Wahrheit zukam, konnte sie nicht beurteilen. Wahrschei n lich hätte Simon eine passende Antwort darauf gewusst. Auf jeden Fall mus s ten sie in einem rasanten Tempo gewachsen
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