KOR (German Edition)
in die Hand zu nehmen. Und was sollte er sagen? Nach einem erfolgreichen Studium folgte ein erfolgreiches Leben als Inhaber von Norton Inc. Sein Slogan lautete: Sie wünschen, wir ve r wirklichen. Gut, der Satz klang nicht nur holprig, sondern regelrecht naiv. I r gendwie aber verfehlte er nicht seine Wirkung. Seine Strategie lag darin, nicht nur alles umzusetzen, was seine Kunden sich vorstellten, sondern dies sogar billiger als seine Konkurrenten anzubieten. Manchmal half es auch, einem Politiker etwas Geld in die Tasche zu stecken. Norton kannte die Regeln und wusste, wen man schmieren musste, damit alles zu seiner Zufriedenheit lief.
Bei KOR hatte Allan Whitehead vor allem zwei Punkte auf seinen Wunschzettel geschrieben. Zum einen sollte die Station gegen das unvermei d liche Absinken ins Eis gefeit sein und zum anderen sollte die Station auf ihrer Außenhülle nicht mit Eis und Schnee zu kämpfen haben. Vor allem der sich festsetzende Schnee sorgte dafür, dass früher oder später Wasser in die I n nenräume eindrang. Norton hatte beide Probleme meisterhaft gelöst. Dem Absinken wirkte er mit hydraulischen Stützen entgegen, welche KOR immer wieder anhoben. Den Schnee vermied er, indem er einen Teil der Abwärme der Kraftwerkmodule durch die Außenwand schickte, sodass die Eiskristalle schmolzen und die Station nicht eingeschneit wurde.
Er fühlte sich ungemein stolz. Der Blick auf die Forschungsstation bewies, dass seine Spielereien noch funktionierten. Innerhalb eines Jahres war KOR weder im Schnee versunken noch von ihm eingenommen worden. Das du n kelgraue Bauwerk erhob sich in all seiner Pracht. Das bedeutete, dass die Module weiterhin funktionierten, obwohl sie seit mehreren Monaten nicht mehr gewartet worden waren. Das automatische Notfallsystem der südkore a nischen Firma Sun-Park, das sich auf dem internationalen Markt als Flop erwiesen hatte, zeigte seine Wirkung. Norton konnte es kaum glauben. Die intelligente Software, die das Blockheizkraftwerk steuerte, machte auf ihn in diesem Moment einen fast schon unheimlichen Eindruck.
Er brachte seine Überraschung durch ein helles Kichern zum Ausdruck.
John Arnold schielte skeptisch zu ihm herüber.
„Sie scheinen sich ja wirklich zu freuen“, hörte er Maggie Hodge aus der hintersten Sitzreihe.
Er mochte es nicht, wenn diese Lesbe ihre ironischen Bemerkungen von sich gab. Er fühlte sich jedes Mal zweitklassig. Die hübsche Asiatin neben ihr erweckte da ganz andere Gefühle in ihm. Sie war eine echte Wucht.
„KOR ist noch in Funktion“, erwiderte er.
„Nach einem Jahr ist noch Sprit in den Mühlen?“, wunderte sich Simon.
„Die BHKWs von Sun-Park verbrauchen so gut wie kein Diesel, wenn sie auf Sparflamme sind.“
„Heißt das, es wäre möglich, dass sich in der Station jemand aufhält?“ Julia Whitehead drückte ihre Nase gegen das Fenster. Die Frau gehörte eindeutig zu der Kategorie schwierige Person. Ihr Vater war ein ausgeglichener Mann gewesen, der genau wusste, was er wollte. Julia dagegen nervte durch ihre extreme Launenhaftigkeit. Seiner Meinung nach war sie schizophren. Doch solange sie ihn bezahlte, konnte sie tun und lassen, was sie wollte.
„Drehen wir ein paar Runden, bevor wir den Vogel aufsetzen“, komma n dierte Arnold.
„Wieso beantworten Sie nicht meine Frage, Mr. Norton ? “, ließ Julia nicht locker.
„Vielleicht lockt das Geräusch unserer Dornier jemanden raus.“ Er sagte dies nur, um keine weiteren Fragen beantworten zu müssen.
KOR bestand aus zwei Decks, die durch einen Treppen- und Fahrstuh l schacht miteinander verbunden waren. Der Fuhrpark lag unterhalb der Stat i on in einer weiträumigen Grube. Soweit sich Norton erinnern konnte, zäh l ten dazu zwei Schneeraupen und vier Schneemobile.
Bei einem Verkauf mussten mindestens noch d reißig M illionen zu holen sein. Bei einer Vermietung wären während der antarktischen Sommerm o nate mehrere T ausend Euros pro Monat drin. Es gab nur wenige Forschungsstat i onen, die ganzjährlich betrieben wurden. Er musste bei seinen Berechnu n gen am Boden bleiben.
„Niemand zu sehen“, bemerkte Kruger. „Machen wir, dass wir runter kommen.“
„Ganz meine Meinung.“ Kruger, dieser Pseudowissenschaftler, nahm ihm wirklich die Worte aus dem Mund. Er konnte seine Ungeduld kaum noch bremsen. Wenn es nach ihm ginge, wären sie schon längst am Boden.
Die weite Ebene erleichterte eine Landung. Norton beschloss, parallel zur Längsseite der Station den Vogel
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