KOR (German Edition)
Radcliffe hat es in letzter Minute geschafft, ihren Fuß aus dem Stiefel zu ziehen.“
Simon schüttelte den Kopf. „Das war ganz klar Teamwork.“
Yui drehte ihren Kopf. In dem Operationsraum brannte Licht. „Ist jemand da drinnen?“
Maggie strich ihr mit der Hand über die Stirn. „Das braucht Sie im Moment nicht zu interessieren. Sie sollten sich noch etwas ausruhen. Und jemand, der kochen kann, sollte sich langsam an die Arbeit machen.“ Der letzte Satz ric h tete sich an die beiden Männer.
„Sehe ich so aus, als würde ich das können?“, fragte Simon.
„Eindeutig nein“, erwiderte Maggie. „Aber mit Sicherheit besser, als sich von Miss Whitehead vergiften zu lassen. Also schwirren Sie schon ab.“
Simon zuckte mit den Achseln und klopfte Mason auf die Schulter. „Na dann mal los, Peter.“
Kaum waren beide verschwunden, als Chad aus dem Operationsraum trat. Ihr fiel es schwer, festzustellen, ob sich sein nachdenklicher Blick auf sie b e zog oder auf etwas, mit dem er sich gerade beschäftigt hatte. „Mason und Simon haben mir bereits alles erzählt“, teilte er ihr mit. Er setzte sich neben sie an den Bettrand. „Tut dein Bein sehr weh?“
„Es geht. Der Aufzug scheint mich nicht zu mögen.“
„Richards sucht gerade nach Norton, damit der sich das ansieht. Vielleicht kennt er sich ja mit der Mechanik aus.“
„Ich werde auf jeden Fall nur noch die Treppen benutzen.“
„Sowieso gesünder“, meldete sich Maggie von weiter hinten.
Chad hielt Yuis Hand. „Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist.“
Sie schaute erneut hinüber zu dem offen stehenden Operationsraum. „Was hast du dort gemacht?“
„Wir haben da draußen etwas gefunden.“
„Etwa Wilson?“
„Eine Leiche. Aber nicht von Wilson.“
„Lassen Sie sie damit lieber noch in Ruhe, Mr. Kruger.“ Maggie trat besorgt ans Bett.
Aber die Neugierde war bei Yui geweckt. Sie ließ Chads Hand los und stand auf. Als sie auf ihren linken Fuß trat , durchzuckte sie ein blitzart i ger Schmerz. Doch hielt sie das keineswegs auf, sich der offen stehenden Tür zu nähern. Als sie sah, was auf dem Operationstisch lag, schrak sie voll Entse t zen zurück.
„Kein schöner Anblick, wie?“ John Arnold stand neben dem Operation s tisch. Er hatte seinen hässlich roten Anorak und seine Mütze abgelegt. Sein verschwitztes Haar hob sich wirr von seinem Kopf ab und klebte an seiner Stirn. Sein Hemd wies unter d e n Achseln große Schweißfl e cken auf. Er trug weiße Gummihandschuhe.
„Wer ist das?“, wollte Yui wissen. Der Zustand der Leiche wirkte auf sie wie eine Barriere, die sie daran hinderte, den Raum zu betreten. Die langen braunen Haare hingen teilweise vom Tisch herunter, wobei von ihren ze r fransten Spitzen Schmelzwasser tropfte. Das verzerrte Gesicht starrte aus leeren Augenhöhlen an die Decke. Das dunkelrote Nachthemd, mit dem die Leiche bekleidet war, baumelte, in der Mitte aufgeschnitten, wie zwei faltige Hautflügel von beiden Seiten des Tisches. Der nackte Körper wies mehrere Einschnitte und Hämatome auf. Jemand hatte ihre Brustwarzen abgeschni t ten. Nicht weniger furchtbar waren die in die Höhe gereckten Hände, an denen die Finger fehlten.
Yui lehnte sich gegen den Türrahmen, um ihr linkes Bein zu entlasten .
„Wir nehmen an, dass es sich bei ihr um Deborah Jones handelt“, erklärte Arnold. „Sie arbeitete als Geologin in Whiteheads Team. Alter zweiunddre i ßig Jahre. Studierte in Harvard und war danach in verschiedenen Fo r schungsprojekten tätig.“
„Und wie habt ihr sie gefunden?“
„Sie lag mitten auf dem Eis“, berichtete Chad . „Wilsons Spuren führten g e nau in ihre Richtung.“
„Aber das Beste kommt wie immer erst zum Schluss“, sagte Arnold.
„Zeigen Sie es ihr nicht“, fuhr Maggie dazwischen. „Sie hat soeben genug mitgemacht.“
„Was?“, fragte Yui. „Was nicht zeigen?“
Maggie umfasste ihren Unterarm. „Sie sollten sich lieber wieder hinlegen, Miss Okada.“
Arnold griff der Leiche unter die Schulter und drehte sie ächzend auf die Seite.
Yui sah den Rücken, an dem sich der rote Stoff wie ein feuchter Lappen abschälte. Zwischen den Schulterblättern erkannte sie zwei Einschusslöcher.
„Steele schoss dreimal aus dem Fenster des Chief t ains. Richards fand nur eine Patrone im Schnee. Die beiden anderen stecken in ihrem Rücken.“
„Aber wie kann das sein?“
Maggie ließ Yuis Arm mit einem Seufzen los. „Tun Sie, was Sie nicht lassen
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