KOR (German Edition)
schreien. Sie sträubte sich wie ein wildes Tier. Die Worte, die sie ausspuckte, waren so gut wie unverständlich; bloße Si l ben, die keinen weiteren Sinn ergaben.
Maggie eilte zu Yui, wobei sie Chad und Arnold vernichtende Blicke z u warf. Sie nahm ihre Hand und führte sie schnell aus dem Zimmer.
In Yuis Kopf legte sich der Sturm nur langsam. Eine tiefe Leere breitete sich aus. Sie spürte nichts mehr. Nicht einmal das Brennen der Ohrfeige.
Als sie wieder einigermaßen klar denken konnte, saß sie zusammen mit Maggie an einem der Tische in der Messe, vor sich eine Tasse Kaffee. Maggie hielt weiterhin ihre Hand, während sie ihr mit der anderen über den R ü cken streichelte.
„Was war das vorhin?“, wollte Maggie wissen.
Etwas kitzelte ihre Wangen. Als Yui mit ihren Händen darüber wischte, wurde ihr bewusst, dass sie weinte. „Julia Whitehead … hatte eine Beziehung … mit ihrem Vater.“ Die Erinnerung daran bereitete ihr Übelkeit.
Maggie wartete, bis Yui weitersprach.
„Sie liebte ihren Vater“, erklärte Yui in einem Ton, als würde sie es selbst nicht glauben können. „Es war nicht die Liebe, die eine Tochter ihrem Vater gewöhnlich entgegenbringt. Sie liebte ihn wie einen Mann. Ihr Vater erwide r te diese kranke Liebe. Damals wollte Chad mit Allan Whitehead etwas wegen eines Projekts besprechen. Ich begleitete ihn. Wir hatten keinen Termin au s gemacht. Chad und ich hofften lediglich, dass Allan gerade Zeit hätte. Also suchten wir sein Büro auf. Wir hörten Geräusche aus seinem Zimmer. Chad klopfte an und öffnete die Tür.“ Yui zögerte. Ein Würgen plagte sie. Nac h dem sie mehrmals tief ein- und ausgeatmet hatte, fuhr sie fort: „Wir erwisc h ten Allan zusammen mit seiner Tochter. Sie … Sie trieben es auf dem Schreibtisch. Der Anblick war so schockierend und widerwärtig. Ich schrie entsetzt auf. Allan und Julia starrten uns an, als wollten wir sie ermorden. Da ich nicht aufhören konnte zu schreien, erschienen andere Mitarbeiter, die wissen wollten, was los sei. Dadurch machte die Geschichte die Runde. Allan Whitehead verlor seine Stelle an der Universität und seine Mitgliedschaft bei diversen Forschungsprojekten. Seine Tochter war seitdem gebrandmarkt. Sie erhielt nie eine Stelle an einer Universität. Allan Whitehead war international bekannt. Genauso international war nun sein schlechter Ruf, was auf seine Tochter abfärbte. Deswegen hasst Julia Chad und mich. Sie betrachtet uns als Feinde, die ihr Leben kaputtgemacht haben.“
Maggie war das Entsetzen sichtlich ins Gesicht geschrieben. „Aber was ist mit ihrer Mutter?“
„Julias Mutter beging Selbstmord, als sie von der Beziehung zwischen i h rem Mann und ihrer Tochter erfuhr. Ich glaube sogar, dass Julia auf ihre Mu t ter eifersüchtig gewesen ist. Es ist krank und ekelhaft.“ Ihr letztes Wort ging über in ein heftiges Schluchzen.
Maggie streichelte ihre Wange. „Beruhig dich doch wieder. Du hast es en d lich geschafft, Julia deine Meinung zu sagen. Ich würde meinen, du hast damit eindeutig einen Damm durchbrochen. Du … Nun ja, du kannst stolz auf dich sein.“
„Ich will nur noch von hier weg“, gab Yui zwischen mehreren Heulkräm p fen von sich.
Maggie drückte sie an sich. „Ich sage Chad und den anderen Bescheid. In Ordnung?“ Nachdem sie Yui schweigend betrachtet hatte, fügte sie hinzu: „Machen wir uns auf den Weg nach Hause.“
Die beiden Gitter, die sich an den gegenüberliegenden Enden des Saales befanden, fielen aus ihren Halterungen und landeten scheppernd auf dem Boden. Aus jeder der Öffnungen ließen sich zwei bleiche, verunstaltete menschliche Wesen herunter. Sie glichen wie diabolische Karikaturen de n j e nigen Personen, die auf dem Mannschaftsfoto zu sehen w a ren. Ihre Kleidung hing in Fetzen und sie verströmten einen fauligen Gestank. Bestialische Wunden übersäten ihre Körper. Verkrustetes Blut klebte auf ihrer Haut. Noch bedrohlicher wurde ihr Aussehen dadurch, da ss jeder von ihnen ein scharfes Messer oder einen spitz zugeschliffenen Metallstab in den Händen hielt.
Yui erhob sich von ihrem Stuhl. Sie konnte nicht glauben, was sie sah. In ihrem Kopf bildete sich eine geistige Barrikade, die verhinderte, dass der Schrecken ihr gesamtes Denkvermögen lahmlegte. Wieso bewegten sich diese Kreaturen nicht? Auf was warteten sie?
Maggie stand ebenfalls auf. Die Ärztin hielt sich mit beiden Händen an der Tischplatte fest. „Ich habe gehofft, dass dieser Typ aus der Röhre nur
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