KOR (German Edition)
Körper der Toten dienten dem Organismus als Waffe gegen die neuen Ei n dringlinge. Ein Beweis für seine Fähigkeit zur Reflexion. Es änderte sein Ve r halten, machte es effektiver. Dies stellte zugleich ein Problem dar. Sobald sie eine der Leichen durch neurokin e tische Kräfte gewissermaßen zum Leben erweckte, ließen sich diese nicht vollständig kontrollieren. In ihnen existierte noch immer eine Art Restene r gie. Simon verstand nicht, wie dies sein konnte. Er war kein Anhänger p a rapsychologischer Studien. Bei den entsprechenden Bildern, die ihm das W e sen einflö ß te, empfand er jedoch Gefühle wie Hass und Rache.
Der fremde Organismus entwickelte durch seine Verteidigungsstrategie ein enormes Gewaltpotenzial. Es war also kein Wunder, dass vor mehr als fün f zig Jahren ein Teil des sowjetischen Geheimdienstes hinter das Rätsel dieser Kräfte kommen wollte, um sie in waffenfähiges Material umzusetzen.
Die Vernichtung von Feinden verbrauchte Energie. Simon erkannte, dass der Organismus damals ziemlich geschwächt war, nachdem er Allans Man n schaft ausgelöscht hatte. Dies erklärte, wieso das erste Rettungsteam keinen außergewöhnlichen Einwirkungen ausgesetzt gewesen war. Das Ärzteteam hatte im wahrsten Sinne des Wortes Glück gehabt. Ihr einstündiger Aufen t halt hatte zu nichts anderem geführt als zu verwackelten und ungenauen V i deoaufnahmen. Das Tor des Containers fiel niemandem auf. Der Organismus hatte dafür gesorgt, dass die beiden Männer, die sich damals in der Garage umgesehen hatten, den Eingang nicht wahrnahmen. Das Ding konnte noch mehr. Es beeinflusste auch ihre Wahrnehmung. Sie sahen nicht die unzähl i gen Blutspuren, die sich in der ganzen Station verteilten und schon gar nicht Teile von Innereien, die von der Decke baumelten oder achtlos in einer Ecke lagen. Der Organismus blockierte ihre Sinne. Seit sie KOR betreten hatten, hatte er sie in seiner Gewalt.
Simon fiel auf die Knie, als eine erneute Kako f onie aus Bildern durch se i nen Kopf jagte. In Sekundenbruchteilen durchlebte er unterschiedliche Sz e nen, die der Organismus in seinem neuronalen Netz gespeichert hatte. Ang e fangen von bizarren Ritualen ominöser Nordmänner, die den Organismus als Teufel betrachteten, bis hin zu den sowjetischen Fo r schern, die die Pflanze aus dem Eis befreiten. Wie in Zeitraffer beobachtete er den Bau des Conta i ners. Er schrie auf, als er plötzlich in das verstörte Gesicht von Deb o rah Jones blickte. Er sah sie zusammen mit Allan Whitehead im Bett. Später be o bachtete er, wie Allan aus ihr ein verstümmeltes Etwas machte. Unzählige Szenen von Mord und To t schlag prasselten wie Hage l körner auf ihn ein. Schließlich erkannte er Chad Kruger und seine Assistentin sowie die übrige Mannschaft. Er bekam mit, wie Peter Mason und Robert Steele getötet wu r den, verfolgte Yui Okadas Kampf mit Norton und be o bachtete, wie Julia Whitehead von ihrem eigenen Vater ermordet wurde. Er nahm teil an Ma g gies grausame m Tod.
Simon griff sich an den Kopf und brüllte. Ein entsetzlicher Druck drohte, seinen Kopf zum Platzen zu bringen. Blut rann aus seiner Nase. Seine Augen traten aus den Höhlen. Vor sich erblickte er Tom Wilson. Die Haut schälte sich von seinem Körper und hinterließ breite, rote Linien, in denen das Mu s kelgewebe schimmerte. Hautfetzen reihten sich vor ihm wie Streifen eines unfertigen Teppichs.
Als die Vision verschwand, sackte Simon erschöpft nach vorn . Er wusste, dass es noch längst nicht vorbei war. Der Organismus würde niemanden gehen lassen. Jedes Lebewesen stellte für ihn eine Gefahr dar. Würde es ihn auch umbringen? Trotz der geistigen Symbiose zwischen ihm und dem W e sen gelang es ihm nicht, dies zu ergründen.
10
„Woher haben Sie diese Waffe?“ Richards balancierte die mit Blut beschmie r te Glock auf seinem Handteller.
„Von Norton“, lautete Yuis Antwort. „Und wenn Sie nichts dagegen h a ben, möchte ich mir kurz die Hände waschen.“
„Sie stammt von einem meiner Männer.“ Er aktivierte sein Funkgerät. „Steele? Mason?“ Er probierte es noch mal, ohne jeden Erfolg. „Die be i den melden sich nicht. Vielleicht blockiert etwas den Funk.“
Der Gang, der sich nach beiden Seiten erstreckte, wirkte wie der Teil einer unfertigen Forschungsstation. Die Türen lagen entweder auf dem Boden oder lehnten in ungewöhnlichen Winkeln an den Wänden.
„Wo ist Julia?“, fragte Arnold.
„Ich bin froh, dass sie weg ist“, erklärte
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