Korrupt (German Edition)
aber geschickt vorgehen, etwas über seine Branche schreiben, über ein Gebiet, auf dem er Experte ist und über das er gern redet.»
«Und das wäre?»
«Ich kenne mich mit Leuten aus, aber nicht mit der Stahlindustrie. Was möchtest du in Erfahrung bringen?»
«Ich beschäftige mich mit mächtigen Privatclubs. Er ist in so einem Club Mitglied. Also dieser Droth.»
«Du meinst, so was wie die Freimaurer?»
Annie nickte und erhob sich. Sie wollte keine weiteren Fragen über ihre Absichten beantworten.
«Sei vorsichtig mit deinen Fragen. Droth hat ein paar Journalisten lebenslängliches Hausverbot erteilt, nur weil sie die falschen Fragen gestellt haben. Hoffentlich ist es mit Karlvik einfacher, aber wenn er einen Verdacht schöpft, bist du geliefert. In diesen Kreisen denkt jeder nur an sich.»
Sie lächelte, ging auf die Tür zu und drehte sich noch einmal um. Leon blätterte bereits wieder in seinen Papieren.
«Du?»
«Ja?» Er blickte auf und sah sie über den Rand seiner Brille hinweg an.
«Danke.»
Annie sah auf die Uhr. Halb sechs. Sie packte ihre Unterlagen zusammen, zog den Mantel an und ging, um Max zuzuhören. Das Kind regte sich, sie legte eine Hand auf den Bauch und atmete tief durch. Heute Abend wollte sie nicht an die Arbeit denken. Sie hatte Max nichts von ihren Fortschritten erzählt, aber das würde sie bald tun. Es würde ihm nicht gefallen. Eine so bedrohliche Wirklichkeit würde ihn schockieren. In dieser Beziehung war er unglaublich naiv, aber gerade das liebte sie so sehr an ihm.
Sie ging in Jan Wikholms Büro und legte ihm eine Mappe auf den Schreibtisch.
«Die große Enthüllung?», fragte er schmunzelnd.
«Wenn du ohne Sarkasmus auskommen wolltest, müsstest du vermutlich stumm bleiben», entgegnete sie und ging auf die Tür zu.
«Kannst du noch einen Augenblick bleiben und die Tür zumachen?»
Sie schloss die Tür, lehnte sich dagegen und sah ihn abwartend an.
«Was hattest du denn für eine intime Besprechung mit dem guten Leon?»
«Wieso? Bist du eifersüchtig?» Annie lächelte spöttisch.
«Ich kann dir ansehen, wenn du einer Sache auf der Spur zu sein glaubst, aber niemandem davon erzählen willst. Im Zusammenhang mit Leon macht mir das Sorgen.»
«Es gibt keinen Grund zur Besorgnis. Ich werde dich schon nicht blamieren.»
«Um mich mache ich mir auch keine Sorgen, Lander.»
Sie schaute zu Boden.
«Riskiere nicht zu viel, ohne dass wir vorher miteinander geredet haben. Okay?»
«Okay.»
«Schau mich an.»
Sie blickte auf und sah ihm in die Augen.
«Versprochen?»
«Versprochen.»
Eine Stunde später klopfte Jan Wikholm an die Tür jenes Mannes, den er, wenn es ihm passte, seinen Chef nannte, den er im Übrigen aber möglichst ignorierte. Carl von Konow. Der Silberlöffel in seinem Mund saß so tief, dass er fast schon wieder zum Hintern herauskam.
Auf seiner Visitenkarte stand Geschäftsführer, auf dem Stammbaum Sohn von Charles Gustaf Uno Falkman und Maria Eleonora von Konow. Und auf seiner Stirn, nördlich seines vorstehenden Kinns und seiner geraden Nase, stand die Zusammenfassung: Oberschicht.
Von Konow war geradewegs dem Riddarhuset entsprungen. Seine Familie hatte mittels einer ihrer nach Pferdemist stinkenden Stiftungen, der es nicht gelungen war, ihre Mittel unter den Bedürftigen zu verteilen, eine Ecke der Zeitung gekauft. Dort hatte von Konow eine Stimme und diente gleichzeitig als Dekoration.
Es war gut, einen Mann an der Stelle zu haben, wo die Nachrichten ausgewählt wurden. Es gibt viele Dinge, die gut zu haben sind, dachte Jan Wikholm kopfschüttelnd, während er sich nach einer Zigarette sehnte und überlegte, warum er eigentlich aufzuhören versuchte.
Wikholm reichte eine Plastikmappe über den Tisch, die Kopien der Unterlagen enthielt, die ihm Annie ausgehändigt hatte, um ihn davon zu überzeugen, ihr mehr Zeit und Mittel zur Verfügung zu stellen. In der Mappe lag auch der Entwurf eines ersten Artikels.
«Hier sind die Unterlagen, von denen ich gesprochen habe», sagte Wikholm. «Schau dir das hier mal an und entscheide, ob weitergemacht werden soll oder nicht.»
Von Konow nahm die Mappe und legte sie auf seine Knie. «Und was findest du?»
«Ich hätte nichts dagegen, wenn der Sache auf den Grund gegangen würde, bin mir aber nicht sicher, ob ich bei der Enthüllung Chefredakteur sein möchte.» Er war Zeitungsmann und hatte für Kamikaze nichts übrig. Das war immer schon so gewesen, und er saß schon recht lange auf
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