Korrupt (German Edition)
und sah sich im Büro um. Sie hatte allerdings keinerlei Beweise dafür, dass Direktor Johan Droth jun. etwas mit den Prostituierten zu tun hatte, die in den letzten zehn Jahren ermordet worden waren. Ihre Intuition sagte ihr jedoch, dass sie auf der richtigen Fährte war. Sie war seinem Blick begegnet. Sie spürte, wenn jemand etwas zu verbergen hatte. Etwas, das lebenswichtig war. Aber diese Begründung würde Wikholm natürlich nicht genügen, wenn sie ihn um mehr Zeit und Mittel bat. Sie musste mehr über Johan Droth in Erfahrung bringen, ehe sie sich von Wikholm absegnen lassen konnte, einen Club zu infiltrieren, zu dessen Mitgliedern auch ihr Geschäftsführer zählte. Seit achtzehn Jahren.
«Was weißt du über einen Mann namens Johan Droth?»
«Wie viel Zeit hast du?», fragte Leon lächelnd. Er arbeitete schon seit einer Ewigkeit für die Zeitung und wusste mehr über alle, als irgendjemandem lieb sein konnte.
Annie zog sich einen Stuhl heran und nahm Platz. «Wenn nötig, den Rest des Tages.»
«Na, dann», sagte er und lachte. Er lehnte sich zurück und rieb sich das Kinn. «Johan Droth. Einziger Sohn einer Familie, die in die USA auswanderte, jedoch wieder zurückkehrte. Sie waren arm und wurden reich. Dem Vater und Patriarchen, auch er hieß Johan, hat man wie vielen anderen vorgeworfen, sein erstes Vermögen auf zweifelhafte Art und Weise angehäuft zu haben. In den letzten Jahren ist der Großkonzern in gewissen Kreisen für seine Geschäfte in Südamerika und für Steuerhinterziehung mittels eines Dschungels aus Stiftungen und Scheinfirmen kritisiert worden. Aber nichts daran ist besonders erstaunlich. Sie bedienen sich derselben Methoden wie alle anderen, die fürchterlich reich werden. Sie versuchen mit allen Mitteln an das ganze Geld zu kommen, und wenn sie es erst einmal haben, dann wollen sie so viel wie möglich davon behalten.»
«Und welche Firmen sind das?»
«Alles Mögliche. Sind im Finanzsektor tätig. Dann gehört ihnen eines der größten Sicherheitsunternehmen der Welt, und sie spielen, soweit ich weiß, eine große Rolle in der Stahlindustrie.»
«Wieso weiß man nicht mehr über sie? Sie sind nicht sonderlich bekannt.»
Er nickte und hob einen Papierstapel hoch, dann einen zweiten und noch einen dritten, um seine Zigaretten zu finden.
«Die Zurückhaltung ist beabsichtigt. Keine bunten Schlipse und kein Kennedy-Komplex. Wenn du verstehst, was ich meine.»
Sie nickte, er zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch über den Tisch.
«Sie stehen immer auf beiden Seiten, es gibt also nie einen klaren Feind, der sie kritisieren und angreifen könnte.»
«Was meinst du mit beiden Seiten?»
Er legte die Zigarette in den Aschenbecher und machte eine ausholende Geste. «Einerseits gilt in ihren Firmen äußerste Gewinnmaximierung. Andererseits pflegen sie gute Beziehungen zu den Gewerkschaftsbonzen. Einerseits unterstützen sie den Dachverband der Gewerkschaften, andererseits überlassen sie der Rechtspartei mietfrei Räumlichkeiten.» Er nahm die Zigarette wieder zwischen die Finger, ohne an ihr zu ziehen. «Es gelingt ihnen, auf allen Stühlen gleichzeitig zu sitzen. Sie können die Leute an der Macht davon überzeugen, dass Kapitalismus mit menschlichem Gesicht möglich ist.» Er rümpfte die Nase und zog an der Zigarette.
«Wie lässt sich mehr über sie herausfinden?»
«Was willst du wissen?»
«Ich würde mir gerne einen Einblick in ihr Imperium verschaffen.»
Er schüttelte den Kopf. «Schwierig. Das haben schon viele versucht. Alle, die eine Weile dabei waren, schweigen wie ein Grab.»
«Und wenn man es trotzdem versuchen wollte? Mit wem würde man anfangen?»
Er fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Lippen. «An deiner Stelle würde ich mich an den Neuen in der Gruppe halten. Aber es wird sicherlich einiges an Überredungskunst erforderlich sein.»
Sie lächelte. «Ich habe es nicht eilig. Wer ist denn der Neue?»
Leon schwieg eine Weile und überlegte. «Ich würde mich auf Jan Karlvik konzentrieren. Er ist der recht frische Generaldirektor von Scansteel, einem ihrer Stahlunternehmen. Kommt aus der Branche und hat schnell Karriere gemacht. Aber er passt bei Droth nicht rein. Karlvik ist tough und kantig, er gibt nicht klein bei, und das funktioniert nur, solange er sich nicht gegen Johan Droth auflehnt. Denn dann werfen sie ihn raus. Ein paar Jahre Flitterwochen, dann weg mit ihm.»
«Das genügt mir.» Sie notierte sich den Namen.
«Du musst
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