Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Korrupt (German Edition)

Korrupt (German Edition)

Titel: Korrupt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Kviby
Vom Netzwerk:
wäre es ihm zumindest erspart geblieben, dieses Elend bei vollkommen klarem Verstand zu erleben.
    Er gab auf, betätigte die Spülung, wusch die Hände und stützte sich auf den Waschbeckenrand. Er atmete tief durch und sah, dass ihm ein Schweißtropfen über die Stirn lief. Er zog sein Taschentuch mit dem Familienwappen aus der Tasche, wischte den Schweißtropfen weg und legte den weichen Stoff auf seine Unterlippe, um das unsichtbare, deutlich spürbare Zittern zu mindern. Wenn herauskam, dass er krank war, würde das Chaos ausbrechen. Einige von denen, die er als seine Vertrauten ansah, würden sich auf ihn stürzen wie Wölfe auf ein verletztes Rehkitz. Auch seine Feinde würden mit ihren Angriffen nicht auf sich warten lassen. Wahrscheinlich würden sie üble Gerüchte darüber in Umlauf bringen, wie schlecht er dran sei und auf welch unwürdige Weise er sich das Leiden zugezogen hatte, das ihn Verstand und Leben kosten würde. Vielleicht würden sich einige erdreisten zu behaupten, er sei ein Päderast und habe sich durch seine nächtlichen Aktivitäten die Schwulenpest zugezogen. Wenn diese Gerüchte ein entsprechendes Ausmaß erreicht hatten, würden sie jemanden aus seinem Umfeld dazu verdonnern, ihn zu liquidieren. «Aus Barmherzigkeit», würden sie sagen, falls Überredung oder Zustimmung nötig sein sollte. «Wenn er auf dem Totenbett über sein Erdendasein Rechenschaft ablegen will, ist es völlig offen, wem er was erzählt. Wieso sollten wir dieses Risiko eingehen?» Er kannte sie gut und wäre genauso verfahren. Die Mitglieder des Clubs würden seinem Abgang im Stillen applaudieren und niemals zugeben, ihn gekannt zu haben. Die Beweise ihrer zahlreichen Vereinbarungen würden sich rasch vernichten lassen. Die Schließfächer in der Enskilda Banken würden nach der Nachricht von seinem Tod ungewöhnlich häufig aufgesucht werden, und in sämtlichen offenen Kaminen in den großen Wohnungen in der Villagatan würden Dokumente verbrannt werden, denen gemeinsam war, dass er seine Unterschrift daruntergesetzt hatte. Die Clubmitglieder trugen bedeutende Namen und Siegelringe, hatten blaues Blut und Zeugnisse von den feinen Schulen, aber darüber hinaus begriffen sie nichts. Er hegte keinerlei Sympathien für sie, und er wollte ihnen die Freude und Erleichterung nicht gönnen, die sein Ableben bedeuten würde. Jenen, die die Kunst beherrschten, ihn mit einem Blick anzusehen, in dem sich sowohl Verachtung als auch Furcht spiegelten, und gleichzeitig zu lächeln, wollte er das Vergnügen nicht lassen, bei der Lektüre seines knapp bemessenen Nachrufs amüsiert die Augenbrauen hochzuziehen und diskret auf bessere Zeiten anzustoßen. Er war nicht bereit, das Handtuch zu werfen. Wenn der Tod an die Tür klopft, dann greif zu deinem Gewehr, hatte ein weiser Mann gesagt. Nicht einmal seine Nächsten wussten, dass er sich von einem Ärzteteam der Uniklinik Freiburg in Süddeutschland behandeln ließ, die er in drei Stunden mit dem Auto von seinem Haus in Luxemburg erreichte. Es gebe Hoffnung, behaupteten die Ärzte. Der Krebs sei zwar nicht abgegrenzt, habe aber noch nicht in die Knochen gestreut. Vielleicht erhielten alle armen Teufel, die sie gezwungenermaßen aufsuchten, diesen Bescheid, aber er hoffte, dass sie die Wahrheit sagten, denn er musste noch eine Weile am Leben bleiben.
    Er gab sich einen Ruck und warf einen entschuldigenden Blick in den Spiegel, weil er so in Gedanken gewesen war. Er hatte einige schlaflose Nächte hinter sich, und die Grübeleien hatten ihn ermüdet. Er brauchte seinen Schlaf. Er bildete sich außerdem ein, dass ihn seine Medikamente reizbarer machten. Nun gut, dachte er, es ist, wie es ist. Hör jetzt auf zu jammern. Er rückte seinen Hemdkragen zurecht und ging in das Zimmer, in dem Buster wartete.
    Der Club, der Herrenbund, war für Johan Droth wie ein zweites Zuhause. Er existierte seit 1800 , einer Zeit also, die sie alle als die «gute alte Zeit» bezeichneten. In der Broschüre war nachzulesen, dass es damals weder Stress noch Termindruck gegeben habe, weder im Wörterbuch noch in der Wirklichkeit, als Gentlemen mit Zylinderhüten, Stehkrägen und einer Perle in der Krawatte nach verrichteter Arbeit zum Club spazierten, um sich für ein paar Stunden zu entspannen. Immer mit einem Glas Whisky Soda in Reichweite. Johan Droths Vater war seit dem Krieg Mitglied gewesen. Er selbst war mit dreißig beigetreten, und Buster hatte die drei nötigen Empfehlungen im Alter von

Weitere Kostenlose Bücher