Korrupt (German Edition)
war. Er nahm eine aufrechte Sitzhaltung ein, leerte sein Glas und wischte sich einen unsichtbaren Tropfen vom Kinn. Er musterte mit zusammengekniffenen Augen seinen Sohn und versuchte, seine Gedanken zu erraten.
«Unsere Tätigkeit baut auf Wissen und einfache Prinzipien», begann er. «Wir wissen, auf welchen Gebieten unsere Stärken liegen; auf diesen betätigen wir uns, von den anderen lassen wir die Finger. Wir kennen uns in der Industrie aus. Wir kennen uns in der Sicherheitsbranche aus. Wir kennen uns mit den Gewerkschaften aus. Wir beginnen nicht plötzlich, Handys zu produzieren. Auch von Arzneimitteln lassen wir die Finger. Wir investieren unser Geld und unseren Einfluss nicht in die falschen Geschäfte. All das solltest du wissen. Vor allem du, da du an meiner Seite groß geworden bist.»
«Ich weiß das», antwortete Buster und sah ihn versöhnlich an. «Ich wollte nur meinen Teil dazu beitragen.»
Johan Droth nickte langsam und sah in seinem Sohn plötzlich den kleinen Jungen, der er einmal gewesen war und der es seinem anspruchsvollen Vater recht machen wollte. «Genug davon, Buster. Unten wird das Essen serviert. Lass es uns genießen, ohne an Geschäfte zu denken.»
«Natürlich», erwiderte Buster, stand auf und reichte seinem Vater die Hand, sah ihn an und dachte, dass er geschrumpft sei. Wie er über sein Glas gebeugt dasaß, wirkte er klein, als hätte sich sein Skelett zusammengezogen, jedoch nicht seine Haut. Wie ein verletztes Vogeljunges, das wusste, dass es auf andere angewiesen war, um zu überleben. Ihn durchströmte plötzlich ein Gefühl der Macht. Als er Johan in die Augen schaute, wusste er, dass auch dieser verstand. Buster hatte Gerüchte von den Dienstboten in Luxemburg gehört. Johan habe einen Arzt in Deutschland konsultiert. Bedachte man, wie oft er die Toilette aufsuchte, lag die Vermutung nahe, dass er an Krebs erkrankt war. Buster war einer der Haupterben; wenn Johan also wusste, dass seine Tage gezählt waren, und wenn sie sich in wichtigen Fragen nicht einig waren, dann würde er bald einen entscheidenden Zug tun. Und vielleicht sein Testament ändern.
Johan ergriff Busters Hand, und dieser half ihm auf. Als sie sich gegenüberstanden, lächelte Buster seinen Vater an und dachte, der wird sich noch wundern, wenn er merkt, dass ich, sein Thronerbe, die ganze Zeit schon die Nase vorn hatte.
Auf dem Heimweg rief Johan Droth Martin Hellsten von einer Telefonzelle aus an. Er bat ihn, für den folgenden Tag eine telefonische Besprechung mit Ruben Martinez in New York zu vereinbaren.
2
«Nennen Sie mir einen guten Grund, warum ich nicht Carl von Konow anrufen soll, damit er Sie feuert.» Jan Karlvik stürmte in sein Büro zurück. Annie saß auf dem Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch. Vor zehn Minuten hatte er sich höflich entschuldigt, das Interview unterbrochen und den Raum verlassen. Fünf Minuten später war er zurückgekehrt, jedoch mit keinen guten Nachrichten.
«Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen», sagte Annie, um Zeit zu gewinnen.
Jan Karlvik ging um den Schreibtisch herum und nahm wieder Platz. «Sie haben mich hinters Licht geführt, und ich will wissen, warum.»
«Das stimmt nicht», versuchte sie.
«Wie kommt es dann, dass ich bei Ihrer Zeitung anrufe und mir gesagt wird, dass Sie im Polizei- und nicht im Wirtschaftsressort arbeiten? Sie behaupteten, für den Wirtschaftsteil zu schreiben, als wir den Termin vereinbart haben.»
Sie senkte den Blick.
«Ich habe ein Gespür dafür, wenn jemand nicht die Wahrheit sagt.»
Sie verfluchte sich, weil sie so ungeschickt gewesen war. Sie hatte mit Fragen über seine Karriere eingeleitet und offenbar auf einige seiner Gegenfragen falsch geantwortet, woraufhin er Verdacht geschöpft hatte.
«Und?», fragte er. «Was wollen Sie wirklich?»
«Ich arbeite an einer Sache, in die auch Männer aus der Wirtschaft involviert sind, allerdings nicht Sie. Ich wollte mit jemandem sprechen, der sich in dieser Welt bewegt. Das ist alles.»
«Und was ist das für eine Sache?»
«Das kann ich Ihnen nicht sagen, wenn Sie mir nicht versprechen, Stillschweigen zu bewahren.»
«Überschätzen Sie sich nicht ein wenig, wenn Sie jetzt auch noch Forderungen stellen? Verstehen Sie denn nicht, dass Sie mich in Schwierigkeiten bringen, wenn Sie hierherkommen und versuchen, mich auszuhorchen?»
«Doch.»
«Aber Sie finden es in Ordnung, zu lügen und anderen Menschen das Leben schwerzumachen, um an Ihre Informationen zu
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