Korrupt (German Edition)
gelangen?» Er stand auf, stellte sich hinter seinen Stuhl und fuhr fort, ehe sie antworten konnte: «Ich empfange Sie und beantworte offenherzig Ihre Fragen, und dann? Lese ich meine Worte später in einem ganz anderen Zusammenhang?»
«Das war nicht meine Absicht. Ich hatte nicht vor, etwas über Sie zu schreiben. Ich wollte mir nur ein Bild von dem Großkonzern machen, in dem Sie arbeiten.»
«Aber wenn Sie nichts schreiben, was soll das Ganze dann?»
Sie schwieg.
«Sie schulden mir eine Antwort!»
Schweigen.
Er ging auf die Tür zu. «Zeit für Sie zu gehen. Ich will von Ihnen nie wieder hören. Außerdem werde ich alles, was ich gesagt habe, abstreiten, falls Sie es drucken. Es ist nicht meine Art, mit Kontakten zu drohen, aber wenn Sie meinen Namen auch nur ein einziges Mal erwähnen, dann ruft mein Anwalt Carl von Konow an und sorgt dafür, dass Sie aus dem Dementieren nicht mehr rauskommen.» Er schwieg eine Weile, als würde er über seine Worte nachdenken. «Wenn meine Gegner schmutzige Tricks anwenden, zögere ich nicht, das ebenfalls zu tun.»
«Ich habe vor von Konow keine Angst», sagte sie. Das Tonband lief in ihrer Tasche, und manchmal waren diese Aufnahmen von beachtlicher Qualität.
«Das verstehe ich», antwortete er. «Aber vielleicht ist Ihnen Ihr Ruf wichtig. Sie wollen vermutlich nicht, dass man Sie für einen Menschen ohne Integrität oder ohne Respekt anderen gegenüber hält.»
Sie betrachtete ein Foto auf der Kommode hinter Karlviks Schreibtisch, das vermutlich seine Frau und seine Kinder zeigte. Konnte ein Mann wie Jan Karlvik dem Herrenbund angehören? Ihre Intuition sagte ihr, dass das nicht der Fall war. Sie hätte ihm gegenüber von Anfang an ehrlich sein sollen.
Jan Karlvik öffnete die Tür und hielt die Klinke fest. Annie drehte sich zu ihm um.
Seine Sekretärin schaute herein und fragte: «Brauchen Sie etwas?»
Er sah Annie erwartungsvoll an.
«Also gut», entschied sie. «Schließen Sie die Tür.»
Nachdem er die Tür geschlossen hatte, setzte er sich mit verschränkten Armen hinter seinen Schreibtisch.
«Sie müssen mir versprechen, dass das unter uns bleibt», sagte sie.
«Fair enough», erwiderte Karlvik und nickte. «Aber dann will ich von dieser Begegnung auch nichts in der Zeitung lesen.»
«Kann ich mich auf Sie verlassen?»
Er lachte. «Ich finde, es steht Ihnen wirklich nicht zu, auf diese Frage eine Antwort zu erwarten.» Er schwieg einen Moment. «Aber durchaus, wenn ich mich auf Sie verlassen kann, können Sie sich auch auf mich verlassen.»
Sie atmete tief durch und nahm einen Schluck von dem Wasser, das ihr gebracht worden war. Sie stellte das Glas wieder auf den Tisch und begann: «Ich beschäftige mich nun schon seit längerem mit Morden an Prostituierten. Vielleicht haben Sie davon in der Zeitung gelesen.»
Er nickte. «Wirklich tragisch.»
«Es deutet einiges darauf hin, dass es sich um den- oder dieselben Täter handelt, obwohl die Leichen in recht großen Zeitintervallen und an verschiedenen Orten gefunden wurden. Entweder waren die Taten geplant oder sind im Affekt verübt worden. Einiges spricht dafür, dass sämtliche Prostituierten zu ein und demselben Netzwerk gehörten und für Privatfeste gemietet werden konnten.» Sie war gespannt, wie Karlvik reagierte.
«Privatfeste?»
«In Clubs. Die Mädchen waren völlig ausgeliefert.»
«Ausgeliefert? Privatfeste? Das müssen Sie mir aber schon genauer erklären. Von welcher Art von Feiern sprechen Sie eigentlich? Von Sexorgien?»
«Die Frauen wurden sexuell missbraucht, zum Teil mit schwerwiegenden Folgen. An diesen Übergriffen waren ganze Gruppen beteiligt, nicht nur Einzelpersonen.»
Karlvik zog die Brauen hoch.
Annie trank einen Schluck Wasser. «Anschließend wurde aufgeräumt und alles so manipuliert, als wäre die Tote an einer Überdosis gestorben. Gerüchten zufolge nahmen an diesen Orgien auch Polizeibeamte und Ärzte teil.»
«Moment», unterbrach Karlvik und hob die Hand. «Sie sagen also, dass diese Männer Prostituierte einladen und sich dann», er suchte nach einer passenden Beschreibung, «an ihnen vergreifen?»
«Ja.»
«Und dass Frauen dabei zu Tode gekommen sind und anschließend alles vertuscht wurde?»
«So lautet meine These.»
«Das klingt vollkommen verrückt. Wer sollte zu so etwas fähig sein?»
Sie schluckte. «Mir liegen Informationen vor, denen zufolge diese Feste unter anderem in einem ganz bestimmten exklusiven Club stattfanden. Dem
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