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Korrupt (German Edition)

Korrupt (German Edition)

Titel: Korrupt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Kviby
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Mann.
    «Nein.»
    «Das sollten Sie sicherheitshalber tun.»
    Er rief die Kliniken an und beschrieb Annies Aussehen. Mit jedem Anruf fehlte sie ihm mehr. Ein kleines Muttermal am Kinn. Schwanger. Blond, 170  cm groß. Er hinterließ seine Nummer und bat um Rückruf, falls eine Frau eingeliefert wurde, auf die diese Beschreibung passte.
    Warten Sie noch eine Weile damit, die Polizei zu verständigen, wurde ihm geraten. Wie lang ist eine Weile? Warten Sie bis morgen. Es gibt sicher eine Erklärung. Er dachte, dass sie recht hatten, dass es sicher eine Erklärung gab. Aber im Moment fiel ihm einfach keine ein.
    Es war halb elf. Es war Samstag, und die Frau, die er liebte, war wie vom Erdboden verschluckt.
     
    Er duschte immer, wenn er sich konzentrieren musste oder wenn er vergessen wollte, dass er existierte. Heiß. Bei geschlossenem Fenster. Bis das Badezimmer einem römischen Dampfbad glich. Oft schrieb er Liebesbriefe auf den Spiegel. Heute allerdings nicht.
    Er benutzte ihr Shampoo in der orangenen Flasche, schloss die Augen und sah sie vor sich, wie sie aussah, wenn sie zusammen duschten. Er liebte es, mit ihr zusammen zu duschen. Sie tat das seinetwegen. Ihr nasses Haar war zurückgekämmt, und wenn sie jetzt vor ihm gestanden hätte, hätte er genau gewusst, in welchem Muster das Wasser an ihr hinunterfließen würde. Sie legte ihm die Hand auf die Brust, spreizte die Finger, und seine Brusthaare schauten zwischen ihnen hervor. «Um dein besorgtes Herz zu beruhigen», sagte sie immer, ließ ihr Kinn auf seinem Schlüsselbein ruhen und drückte ihre Brust gegen seine. Sie war so mutig wie Jeanne d’Arc, und das an 365  Tagen im Jahr. Am dreihundertfünfundsechzigsten kam sie leise nach Hause, löschte das Licht im Schlafzimmer und lag mit angezogenen Beinen da, bis er kam, sie in den Armen hielt und wärmte. Mit der heiseren Stimme eines Kindes flüsterte sie: «Ich will unter deine Haut kriechen und für immer dort bleiben.» Er erwiderte: «Dann komm», ohne zu verstehen, was sie quälte. Die Welt, sagte sie. Er empfand ein Gefühl von Stolz, weil der mutigste Mensch, den er kannte, Schutz bei ihm in einer Umarmung suchte, die die ganze Nacht dauerte. Auch wenn das nur an einem dieser 365 Tage geschah.
    Er warf das Handtuch aufs Bett und zog den Bademantel an, den sie ohne Gewissensbisse in einem Hotel in Paris hatten mitgehen lassen, weil es so teuer gewesen war. Er betrachtete sich im Spiegel über der Kommode, auf der ein Foto von ihnen beiden stand. Auf dem Foto war er mit der Frau zusammen, die er liebte, und war sich dessen bewusst. Im Spiegel war er allein, und es war ihm anzusehen, dass ihn dieses Alleinsein vollkommen beherrschte. Seine Augen verrieten das.
     
    Der Tag verging. Sie blieb verschwunden. Weitere Telefonate, aber keine Antworten. Die Wohnung beengte ihn. Er zog seine Jacke an und verließ das Haus. Für den Fall, dass sie in der Zwischenzeit nach Hause kam, legte er einen Zettel auf den Tisch. «Mache einen Spaziergang. Bin bald wieder zurück. Warte auf mich. Max.»
    Schließlich landete er in einer Kneipe. Ein kleines Lokal, ganz in Rot. Er musste etwas essen und trinken. Er behielt den Schal um und hielt sich die Hände vor den Mund, um sie zu wärmen. Dann bestellte er bei einem schmächtigen Mann mit Rattengesicht ein Bier. Max hatte eine Boulevardzeitung gekauft, schlug sie aber nicht auf. Er ließ sich sagen, dass Tottenham in einem Heimspiel von Chelsea geschlagen worden war, aber das war ihm egal. Er trank einen großen Schluck Bier und spürte wieder so etwas wie Sicherheit. Alles würde wieder gut werden.
    Hier war er oft mit Patrik hingegangen. Sie war ihr zweites Zuhause gewesen, bevor sie ihre Frauen kennengelernt hatten. Patrik hatte bereits Kinder. Max hatte versucht, ihn vom Telefon in der Ecke aus anzurufen, aber niemand hatte sich gemeldet. Vermutlich waren sie shoppen. Jedes Mal, wenn die Tür aufging, hoffte er, Patrik würde eintreten. Fehlanzeige. Sie waren Schulter an Schulter durchs Leben gegangen, und eine Zeitlang schien es, als ob es immer so bleiben würde. Das war beruhigend gewesen. Aber in den letzten Jahren hatten sie sich entfremdet. Darin waren sie sich einig.
    Max rief zu Hause an. Keine Antwort. Der Zettel lag immer noch herzerweichend unbeachtet auf dem Tisch. Er leerte sein Bier, zog seine Jacke an und beschloss, bei Patrik vorbeizuschauen. Falls er ihn nicht antraf, würde er seine Mutter anrufen. Er wollte sie nicht unnütz beunruhigen, und sie

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