Korsar und Kavalier
hinunter.
Was er wohl wollte? Vielleicht ... ein Hoffnungsfunke belebte ihr Herz. Vielleicht war er gekommen, um ihr zu sagen, dass er sie liebte.
Ihr schlug das Herz bis zum Halse, als sich dieser Gedan-ke bei ihr einschlich. Und wenn es so war? Hieß das, dass er seine Träume vom Segeln und einem freien, ungebundenen Leben aufgegeben hatte? Könnte er mit einer solchen Entscheidung je glücklich werden?
Das Morgenlicht strömte durch die Fenster, als Prudence die Tür zum Salon öffnete.
Tristan stand am Kamin und blickte in die züngelnden Flammen. Als er das Geräusch hörte, wandte er sich zu ihr um. Er trug einen der neuen Röcke, die Reeves für ihn hatte anfertigen lassen, sein Haar war ordentlich zurückgebunden, und seine Stiefel glänzten dermaßen, dass man sich in ihnen spiegeln konnte.
So attraktiv sah er aus, dass Prudence ein wenig aus dem Tritt geriet, obwohl sie es rasch unter einer strahlenden Begrüßung verbarg. „Guten Morgen. Ich hoffe, dass dir die Aufregungen der letzten Nacht gut bekommen sind.“
Sein Blick verdunkelte sich, als er sie sah. „Prudence.“ Sie knickste. „Guten Morgen“, wiederholte sie in festem Ton. Sie hoffte, er würde ihrem Beispiel folgen und es ihnen beiden dadurch leichter machen. Prudence nahm am Feuer Platz und wies auf einen Sessel. „Bitte setz dich doch.“
Er hielt inne und sah sie an. Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine steile Falte gebildet.
„Bitte“, wiederholte sie leicht verzweifelt. Sie wollte nicht weinen - sie würde auch nicht weinen.
Tristan setzte sich und legte den Stock ab, ließ sie dabei aber nicht aus den Augen. Er wirkte ebenfalls müde. Außer diesem Umstand und dem Schnitt an seinem Kinn erinnerte nichts mehr an die Ereignisse des gestrigen Abends.
Sie berührte ihr eigenes Kinn. „Könnte sein, dass du da eine Narbe bekommst.“
„Narben sind für mich nichts Neues.“
Prudence nickte. „Wie geht es deinem Arm?“
„Gut. Prudence, wir müssen ...“
„Und deinem Bruder?“
Tristans Miene wurde weicher. „Gestern Nacht habe ich mit ihm noch über eine Stunde zusammengesessen. Ich habe ihn vermisst.“
Hinter diesen kargen Worten verbarg sich eine Welt an Ge-fühlen. Prudence wurde die Kehle eng. „Ich bin froh, dass du ihn gefunden hast. “
„Danke. Aber deswegen bin ich nicht hier. Wir hatten letzte Nacht keine Zeit mehr, über das zu sprechen, was geschehen ist. Prudence, ich bin zu einer Entscheidung gelangt. Wir müssen heiraten.“
Prudence verschlug es den Atem. Es fühlte sich an, als wäre ihr auf einmal das Herz gefroren. „Wir müssen?“
Er straffte die Schultern, als würde er vom ganzen Leid der Welt niedergedrückt. „Das ist das Richtige.“
Sie sah ihn an. Sie entdeckte nichts Leichtherziges oder Glückliches in seiner Miene, nur die grimmige Entschlossenheit eines Mannes, der seine Pflicht erfüllte.
Plötzlich fühlte sie sich mutlos. Pflicht. Er fühlte sich schuldig, und deswegen ... „Nein.“
Tristans Miene verfinsterte sich. „Nein?“
„Nein.“ Schade, dass die Liebe allein nicht in der Lage war, alle Probleme zu lösen. Erträglich konnte sie die Probleme schon machen - aber nur, wenn beide gleichermaßen liebten.
„Verdammt, warum nicht?“
„Ich war schon einmal verheiratet. Phillip und ich hatten unsere Liebe, gegenseitigen Respekt, gemeinsame Interessen, Verständnis ... Tristan, wir haben von alledem nichts.“ Er runzelte die Stirn. „Wir sind gern zusammen und ...“ „Uns verbindet die Leidenschaft, mehr nicht. Das ist nicht genug.“ Sie atmete zittrig ein und erhob sich. Er tat es ihr gleich, stützte sich mit düsterer Miene auf seinen Stock.
„Mir reicht das“, sagte er leise. „Ich habe nie zuvor den Wunsch verspürt zu heiraten. Aber jetzt wüsste ich nicht, warum nicht. Das muss doch genug sein!“
„Ist das alles, was dir dazu einfällt?“
Um Tristans Mund zuckte es. „Ich finde dich unterhaltsam.“
Na reizend. Sie glaubte, vor Liebe schier vergehen zu müssen, und er fand sie unterhaltsam. Tränen traten ihr in die Augen. „Tristan, du solltest etwas wissen: Zwei der Treuhänder haben unter Phillips Investitionen gelitten. Ehe ich London verließ, gab es einen riesigen Skandal. Phillip war schon gestorben, doch der Zorn wegen der finanziellen Verluste war noch sehr lebendig. Tristan, wenn uns diese beiden Treuhänder - Earl of Ware und Viscount Southland - zusammen sehen, werden sie nicht erfreut sein. Sie werden von dir
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