Kosaken Liebe
Stroganows hatte man ihnen versprochen, das Land Mangaseja, von dem die drei Boten erzählten. Die drei Boten, die diesen Zug nach Norden zur Kama nur voll maßlosen Entsetzens miterlebten …
»Ein Gebirge«, hatte Jermak gesagt, als man über das beriet, was vielleicht in einigen Wochen auf sie zukommen würde, »schlitzäugige fremde Völker – was ist das schon? Gelbe kennen wir zur Genüge und haben sie aufs Haupt geschlagen. Und ein Stein bleibt ein Stein, auch wenn er tausend Werst hoch ist. Haben wir Angst vor Steinen, Brüder?«
Der Untergang von Nowo Orpotschkow hatte keine Folgen. Die Bauern der umliegenden Dörfer nannten die Leute des Starosten Lupin einen Haufen von Idioten. Wer stellt sich schon 540 Kosaken entgegen? Sie ungehindert durchziehen lassen, ihre Pferde tränken, ihnen die Vorräte schenken, mit Bitterkeit im Herzen hinnehmen, daß diese oder jene Frau geschwängert wurde … Das konnte man alles überleben, und Überleben allein war wichtig. Mit den Kosaken kämpfen? Beim heiligen Stephanus, was hatte diesen Alexander Grigorjewitsch Lupin bloß geritten, einen solchen wahnsinnigen Gedanken zu haben?
Die Männer von Nowo Orpotschkow saßen am Wolgaufer und starrten auf ihr brennendes Dorf. Die Frauen kamen einzeln zurück, stützten die Kranken und Alten, oder schleppten die weinenden Kinder auf dem Rücken. Die meisten der Weiber waren blutig geschlagen, ihre Kleider waren zerrissen. Wie bei ihren Reiterspielen von Pferd zu Pferd, so waren die Kosaken von Frau zu Frau gesprungen – eine höllische Orgie. Begleitet vom Prasseln des Feuers und dem Krachen der zusammenstürzenden Hütten.
Nur die kleine Kirche von Nowo Orpotschkow war verschont geblieben. Hier erschien der Pope von Blagodornje, Oleg Wassiljewitsch Kulakow, und stellte sich seinem Amtskollegen vor. »Gott hat den Menschen geschaffen, also auch die Kosaken«, sagte er mit seltsamer Logik und bekreuzigte sich. Sein Priesterrock stank nach Rauch, seine Kosakenstiefel waren dreckig bis zu den Knien, in seinem Bart hing Ruß. »Bruder im Herrn, laß uns beten, daß die sündigen Seelen auch einen liebenden Blick im Himmel erhaschen.«
Und so knieten die beiden Popen vor der Ikonostase und beteten, während draußen das Dorf abbrannte und die gejagten Weiber kreischten.
»Siehst du, Brüderchen«, sagte der Kosaken-Pope später, als Jermaks Leute singend um das untergehende Dorf saßen und alles friedlich wurde, »deine Kirche haben wir dir erhalten. Lobe Gott! Und gib mir für den langen Weg ins Unbekannte dein Osterkreuz mit …«
Der Pope von Nowo Orpotschkow stöhnte, holte das mit billigen Perlen besetzte Kreuz – es war eine schöne Bauernhandarbeit – und warf es seinem Kollegen vor die Füße.
»Der Satan sei bei jedem deiner Segen mit dir!« schrie er.
»Amen!« antwortete Oleg Wassiljewitsch Kulakow fromm und demütig.
Am Wolgaufer rannte der gerettete Lupin von Frau zu Frau und rang die Hände. »Habt ihr Marina gesehen?« schrie er voller Qual. »Was ist aus meinem Töchterchen geworden? Mein Sonnenschein! Meine goldene Wolke! Habt ihr sie gesehen? Warum kommt sie nicht zurück? Warum bringt sie keiner von euch mit? Ist sie tot? Sagt es mir doch, haltet nicht zurück mit der Wahrheit, ich bin ein starker Mann, ich kann's ertragen! Wer hat Marina gesehen? Wer …?«
Er fragte herum, aber keine der zurückkehrenden Frauen wußte etwas von Marina Alexandrowna. Man wußte nur, daß auch das Haus des Starosten brannte. Man fand das übrigens gerecht, denn Lupin hatte ja schließlich die verrückte Idee gehabt, Widerstand zu leisten. Die Männer sprachen nicht mehr mit ihm, und eigentlich konnte Lupin froh sein, daß er nicht von seinen Freunden in der Wolga ertränkt wurde. Mitleid hatte niemand mit ihm. Der eine verlor Marina, der andere Olga oder Jelisaweta. Und es war abzusehen, daß in neun Monaten eine Menge Bastarde geboren wurde – auch das würde man überleben und ertragen. Ein Leben in Rußland war schon immer schwer, man hatte Übung im Ertragen.
So ließ man Lupin wie einen angestochenen Eber herumlaufen und brüllen und hoffte nur, daß endlich jemand auftauchte, der sagte: »Ja, sie ist tot, deine Marinuschka! Die Kosaken haben dein Blondchen zu Tode geritten …«
Aber niemand kam, der das sagte. Man hatte Marina nicht mehr gesehen, aber so, wie man von weitem Nowo Orpotschkow sah, ein Flammenmeer mit einer unversehrten Kirche darin, glaubte niemand mehr, daß Lupin noch etwas von seinem
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