Kosaken Liebe
den Winter vorbei sein. Am Tobol werden wir sie jagen wie die Schneehasen!«
Das winterliche Leben in der eroberten Stadt wurde langweilig. Schnee fiel in Massen, dann ließ der Frost alles erstarren. Die Tura fror zu, überall hackte man Löcher in die Eisdecke, um an die Fischschwärme heranzukommen, die so dicht waren, daß man ein Netz nur einzutauchen brauchte und dann Hunderte von Fischen herauszog, als schöpfe man aus einem Kessel. Die Jäger zogen die Tura hinunter bis zum Zusammenfluß mit dem Tobol und stießen hier auf die Truppen des Mametkul, die den Sperriegel zum Land Mangaseja bilden sollten. Es kam zu kleinen Scharmützeln, und auch zum Ural hin blieb es nicht ruhig. Hier hatten sich Gruppen von Ostjaken und Wogulen gebildet, die alle überfielen, die ahnungslos durch die Ausläufer des Gebirges streiften.
Jermak ordnete an, nur noch in Kosakenbegleitung zu jagen. Gefangene, die man machte, köpfte man nicht, sondern ließ sie laufen, was sich schnell herumsprach.
»Wir haben nichts gegen euch!« sagte Jermak nach einem Verhör zu ihnen. Die Gefangenen hatten mit dem Leben abgeschlossen und warteten auf den Henker. »Ihr seid für uns liebe Brüder! Aber wir wollen Kutschum verjagen, diesen gottlosen Tyrannen, der selbst in goldenen Räumen lebt, euch aber behandelt, als wäret ihr Ratten! Unter unserem Zaren Iwan seid ihr alle freie Bauern! Bekennt euch zum Kreuz und ziehet hin in Frieden …«
Selten wurde so schamlos gelogen. Die Untertanen Kutschums behielten zwar ihr Leben, und sie ließen sich taufen, sie standen in langen Reihen vor den Popen, bestaunten die prunkvollen Priestergewänder und hörten mit Erstaunen die Kirchenchöre. Fassungslos starrten sie die Kruzifixe mit dem nackten Mann an, der da anscheinend auf ein paar Balken festgenagelt war; die Dolmetscher erzählten ihnen von Jesus, der aus lauter Liebe zu den Menschen sich hatte töten lassen … was sie als ausgesprochenen Unsinn empfanden, denn bevor man sich töten läßt, schlägt man erst um sich, das ist doch das Selbstverständlichste im Leben … Jedoch bemühten sie sich, dieses Ereignis gebührend zu bewundern und zu glauben und empfingen dann Taufe und Segen.
Die große Überraschung kam erst hinterher: Ihre neue Kirche, ihre neuen Priester verlangten ein Zehntel von allem, was sie besaßen. An den Mann am Kreuz zu glauben, war eben ziemlich kostspielig – das hat sich ja bis zum heutigen Tag nicht geändert.
Aber dafür durften sie weiterleben, zeigten den Kosaken die reichen Jagdgebiete und bauten ihnen die leichten, schnellen Schlitten aus Flechtholz, mit denen man über Schnee und Eis so mühelos gleiten konnte, so wie ein Schwarzfuchs rennt.
Die zur Hälfte zerstörte Stadt Tschinga-Tura wurde wieder aufgebaut. Über tausend Mann wollten warm wohnen, und als die Schneestürme aus dem Osten heulten, als aus Tundra und Taiga die Kälte herbeikroch und sich bis in die Knochen fraß, als das Land unpassierbar wurde und selbst die Ostjaken ihre Jagd einstellten und sich in ihren Hütten unter dem Schnee begraben ließen wie Murmeltiere … da nahte eine schlimme Zeit für die Kosaken.
Alexander Grigorjewitsch Lupin brachte das Kunststück fertig, bei dem Kosakenpopen Oleg Wassiljewitsch Kulakow angestellt zu werden. Es war die einzige Möglichkeit, in der Nähe Marinas zu bleiben, denn das große Haus des Fürsten Jepantscha lag neben der Moschee, und Jermak, Muschkow und der Pope bildeten so etwas wie eine Kumpanei oder – um es höflicher zu sagen – einen Generalstab der Kosaken. Zwischen diesen dreien wurde besprochen, wie man den grausamen Winter überstehen könnte, und da der Adjutant Boris Stepanowitsch auch immer bei den Besprechungen saß, konnte Lupin sein Töchterchen oft sehen und ab und zu auch sprechen.
Lupin hatte, das wissen wir, eine laute Stimme. Außerdem konnte er hervorragend pfeifen, eine Kunstfertigkeit der Lippen und der Finger, die seinerzeit auch dazu beigetragen hatte, ihn zum Starosten von Nowo Orpotschkow zu machen. Man wundere sich darüber nicht … es gibt viele Bürgermeister, die mit weit weniger Fähigkeiten diesen wichtigen Posten bekleiden! Für Lupin war es blankes Kapital: Er ließ sich bei dem Kosakenpopen melden und baute sich vor ihm auf, direkt vor der neu errichteten Ikonostase. Es waren Bilder, die der Pope zusammengeklaut hatte; jetzt jedoch zeigte es sich, daß alles wirklich nur zum Lobe Gottes geschehen war. Die erste Ikonostase in Sibirien flößte allen
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